Als die Roemer frech geworden
zu einem riesigen Zangenunternehmen
auf den Böhmischen Kessel gezwungen sah: Im Jahr 6 n. Chr. brachen von Mainz und von Carnuntum an der Donau (heute Österreich)
nicht weniger als 12 Legionen in zwei Heeresabteilungen (à sechs Legionen) auf. Das Ziel, das Reich des Marbod zu zerschlagen,
erreichten die Legionen aber nicht, weil noch im gleichen Jahr in Pannonien ein Aufstand ausbrach und der Angriff deswegen
abgebrochen werden musste. Es bedeutete in der Folge eine erhebliche Hypothek, dass Marbod zu jeder Zeit des pannonischen
Aufstandes, der über drei Jahre zeitweise bis zu zehn Legionen band, in der Lage war, einzugreifen und die römische Seite
in der Nähe von Italien entscheidend zu schwächen. Auch Marbod konnte sich ausrechnen, was die Römer tun würden, sobald sie
sich des pannonischen Aufstandes entledigt hätten.
Angesichts des Bedrohungspotenzials, das von Marbod ausging, sah man sich in Rom genötigt, ein
foedus aequum
mit Marbod abzuschließen. Damit begab sich Rom in ein völkerrechtliches Verhältnis, das man nur sehr selten mit einer auswärtigen
Macht einzugehen bereit war. Der Vertrag bedeutete ein Privileg für Marbod: Alles, damit er sich nur ruhig verhielte. Trotz
dieser Absicherungen war man sich nicht sicher, denn noch im Jahr 9 n. Chr. zog Varus mit seinen drei Veteranenlegionen an
die Weser, um von dort sowohl für Marbod als auch für die Elbgermanen kurz vor der absehbaren endgültigen Niederschlagung
des pannonischen Aufstandes ein hinreichendes Bedrohungspotenzial |45| in Marbods Rücken aufzubauen. Auch der Oberkommandierende der römischen Truppen Obergermaniens in Mainz hatte sich im Sommer
9 n.Chr. im rechtsrheinischen Gebiet aufgehalten, um die Vertragstreue Marbods zu garantieren. Doch dann kam etwas dazwischen,
das alle Kalkulationen zunichte machte.
Foedus aequum
Foedus bezeichnet einen Vertrag. Das foedus aequum wird formal auf der Grundlage der Gleichberechtigung beider Parteien geschlossen.
Es bezeichnet ein Freundschaftsverhältnis und regelt die gegenseitige Waffenhilfe der Bundesgenossen (socii) sowie oft den
Handel. Beim foedus iniquum muss der Vertragspartner Roms Oberherrschaft anerkennen.
Der Statthalter Varus
Alle guten Ansätze wurden zunichte gemacht, als Varus die Statthalterschaft über die anvisierten germanischen Provinzen antrat:
Als aber Quintilius Varus die Statthalterschaft über Germanien antrat [...], drängte er sie, sich schneller zu wandeln. Auch
das Übrige schrieb er ihnen vor, als ob sie Sklaven wären, und er presste Gelder wie bei Unterworfenen aus. Dies wollten sie
nicht ertragen, vielmehr verwiesen die Fürsten auf ihre frühere königliche Abkunft, und die Masse zog den gewohnten Zustand
der ausländischen Herrschaft vor. Aber sie fielen nicht offen ab, weil sie sahen, dass viele Römer [sich] in der Nähe des
Rheins aufhielten und viele in ihrem Gebiet. 5
Velleius war ein konsequenter Anhänger seines ehemaligen Dienstherrn aus seiner Militärzeit und derzeitigen Kaisers Tiberius:
Deshalb pries er das Schicksal, dass gerade zu dem Zeitpunkt der Katastrophe im Teutoburger Wald 9 n.Chr. Tiberius durch seine
erfolgreichen Feldzüge in Pannonien und Dalmatien die Hände wieder frei hatte. Varus war er dagegen nicht so wohlgesonnen:
|46| Die Ursache der Katastrophe sowie die Person des Heerführers machen es erforderlich, dass ich hierbei kurz verweile. Quintilius
Varus stammte aus einer angesehenen, wenn auch nicht hochadligen Familie. Er war von milder Gemütsart, ruhigem Temperament,
etwas unbeweglich an Körper und Geist, mehr an müßiges Lagerleben als an den Felddienst gewöhnt. Dass er wahrhaft kein Verächter
des Geldes war, beweist seine Statthalterschaft in Syrien: Als armer Mann betrat er das reiche Syrien, und als reicher Mann
verließ er das arme Syrien.
Als er Oberbefehlshaber des Heeres in Germanien wurde, bildete er sich ein, die Menschen dort hätten außer der Stimme und
den Gliedern nichts Menschenähnliches an sich, und die man durch das Schwert nicht hatte zähmen können, die könne man durch
das römische Recht lammfromm machen. 6
Varus war ein Vertrauter des Augustus und Fachmann in militärischen ebenso wie in politisch-administrativen Angelegenheiten
– sonst wäre er für eine Position von dieser Verantwortung und Macht kaum infrage gekommen. Er war mit Claudia Pulchra, der
Enkelin von Augustus’ Schwester Octavia, verheiratet, folglich
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