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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Beer
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allmählich in einem tiefen Lila färbte. » Du bist ich in meiner Stadt.«
    Lea erstarrte. Ein Muskel zuckte in ihrem angespannten Unterkiefer. » Was soll das heißen– deine Stadt? Also… also bist du auf der anderen Seite!« Ihre Handflächen pressten sich von innen gegen das Glas; ihre Pupillen waren vor Aufregung geweitet. » Du hast die Kontrolle über die Obsidianstadt?«
    Marie schluckte und wich unwillkürlich einen kleinen Schritt zurück. Die plötzliche Aggressivität und Leidenschaft in Leas Stimme erschreckten sie. Und wie sollte sie es erklären? Lea hatte offensichtlich keine Ahnung davon, dass sie nur eine Figur war, die Marie in ihrer Fantasie geschaffen hatte– aber war sie das wirklich? War sie nicht viel wahrscheinlicher genauso real wie die Feen und die Stadt selbst?
    » Ich… ich denke schon«, stammelte sie unsicher.
    Von einer Sekunde zur nächsten funkelten Leas Augen vor Wut. Ihr Mund verkniff sich zu einer wütenden Linie. » Du warst das also! Du hast sie alle umgebracht!«
    Marie fühlte sich, als hätte sie einen Schlag ins Gesicht bekommen. Der Vorwurf brannte auf ihrer Haut. Umgebracht? » Ich habe nicht…«, begann sie, aber Lea fiel ihr ins Wort.
    » Rede dich nicht raus! Du… du läufst da draußen herum, in deiner heilen Welt, und wir sterben!« Zornige Tränen glitzerten in den hellen Augen.
    Marie konnte nichts mehr sagen. Leas Worte trafen sie mitten ins Herz und ließen sie von innen heraus gefrieren. Ihre erste Reaktion war, heftig zu protestieren und alle Schuld von sich zu weisen. Sie hatte doch nichts getan! Sie hatte seit Jahren nicht einmal mehr an die Obsidianstadt gedacht! Aber vielleicht, dachte Marie und spürte, wie ihr Mund trocken wurde, war gerade das das Schlimmste gewesen, was sie der Stadt hatte antun können? War es möglicherweise wirklich ihre Schuld, dass ihr ehemaliger Zufluchtsort sich in ein verzerrtes, abstoßendes Bild seiner selbst verwandelt hatte? War das allein durch die Tatsache geschehen, dass sie ihn vergessen und den Feen überlassen hatte? Dass sie Lea allein dort drin zurückgelassen hatte? Verzweifelt dachte Marie an ihre Anfälle zurück, die seit dem Tod ihres Vaters den Phasen der Verzweiflung, der Wut und der Einsamkeit folgten. Jeder einzelne war die Geburt unzähliger finsterer Gedanken gewesen und hatte geholfen, dass die schwarzen Feen in Maries Schattenwelt immer mächtiger wurden.
    Auf einmal ergab alles, was in den letzten Tagen geschehen war, einen grausamen Sinn. Wenn Gabriel recht hatte, dann waren die Stadt und ihre Bewohner über die Jahre immer tiefer in dem Nebel versunken, den die Tabletten von Dr. Roth erzeugten. Ein Nebel, der alles erstickte in dieser Stadt, um die Marie sich nicht mehr gekümmert, die sie sogar vergessen hatte. Sie hätte merken müssen, was mit ihrem Zufluchtsort geschah, aber sie hatte sich geweigert hinzusehen. Und gleichzeitig hatten all ihre düsteren Gedanken die Feen immer stärker gemacht. Nun war Marie selbst danach, zu weinen. Sie verstand. Sie verstand jetzt alles.
    » Warst du es?«, flüsterte sie verzweifelt. » Hast du das Tor geöffnet und die Feen hierhergeschickt?«
    Lea starrte sie an. Ihr Blick war eiskalt. » Ja«, sagte sie, und jedes Wort war wie ein Peitschenhieb, der auf Maries Rücken niederging. » Ich habe sie geschickt, damit sie das Leben zurückbringen, das du uns weggenommen hast.« Ihre Hände verkrampften sich auf dem Spiegelglas zu Fäusten. Ihre Stimme war rau vor Zorn. » Du wirst dafür bezahlen, was du uns angetan hast!«
    » Aber ich bezahle doch schon!« Die Worte brachen wie bittere Galle aus Marie hervor. Angst schnürte ihr die Kehle zu. Ihre Mutter… die Feen im Wohnzimmer, das Krankenhaus. Die Brutstätte, die Gabriel im Körper seiner Freundin entdeckt hatte. Und das Loch in Maries eigenem Schatten. War das alles wirklich Leas Werk gewesen? Was hatte sie nur vor?
    » Wir holen uns unser Leben zurück.« Lea sprach gefährlich leise, aber sehr deutlich. » Wir werden hier nicht untergehen.«
    » Hör auf!« Marie packte den Spiegel mit beiden Händen. » Lass uns in Ruhe! Es tut mir leid. Bitte!«
    » Nein.« Lea starrte sie unbeirrt an. » Niemals. Ich hasse dich!« Mit beiden Fäusten hieb sie nach dem Spiegel. Entsetzt schrie Marie auf– und unter ihren Händen zerbrach das Glas in tausend Teile.
    Nebel umfing sie. Er griff nach ihren Haaren, ihrer Haut, zog an ihr und saugte ihr Leben, ihr ganzes Sein durch ein Loch in ihrem Inneren fort aus

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