Als die schwarzen Feen kamen
das Gefühl, etwas sagen zu müssen. Irgendetwas Geistreiches, das sie nicht ganz so sehr wie eine dumme Zehntklässlerin aussehen ließ. Aber ihr fiel überhaupt nichts ein.
» Hast du da noch Platz?« Gabriel deutete auf den Heizkörper unter dem Fenster. Er war durchaus breit genug, dass zwei Personen nebeneinander darauf sitzen konnten.
Marie nickte schnell. » Klar.«
Mit ein paar Schritten war Gabriel bei ihr und setzte sich auf die Heizung. Zögernd ließ Marie sich neben ihm nieder.
Eine ganze Weile schwiegen sie beide. Marie kam die Situation seltsam unwirklich vor, als wäre sie wieder in einem Traum– nur diesmal in einem ohne Geister und Feen. Sie starrte auf ihre Füße in den dicken Winterstiefeln und auf Gabriels dicht daneben. Er trug Chucks. Wer trug bei so einem Wetter denn Chucks? Sie waren völlig durchgeweicht von geschmolzenem Schnee.
» Ist dir nicht kalt in den Schuhen?« Ihre Stimme klang dünn im Vergleich zu sonst, bemerkte sie erschrocken. Irgendwie piepsig.
Gabriel hob den Kopf und wandte ihr das Gesicht zu. » Doch. Absolut.«
Da war eine kleine Falte zwischen seinen Brauen. Sie gab seinem Gesicht einen besorgten Ausdruck, der ihn älter wirken ließ. Marie schwieg betreten. Anscheinend hatte sie genau das falsche Thema angesprochen. Vielleicht konnte er sich keine anderen Schuhe leisten, und es war ihm unangenehm? Ihr fiel jetzt auch auf, dass sein Mantel und seine Hose zwar nicht kaputt, aber dennoch recht abgetragen waren.
Marie biss sich auf die Lippe. Ob sie sich entschuldigen sollte? Oder würde sie es damit noch schlimmer machen? Warum fiel ihr denn bloß kein unverfängliches Thema ein?
» Tut mir…«
In diesem Moment zeigte das Klingeln der Schulglocke das Ende der Frühstückspause an und verschluckte den Rest von Maries Entschuldigung.
Gabriel stand auf– ohne Eile, als kümmere es ihn überhaupt nicht, dass sich von unten Dutzende Schritte und Stimmen näherten. Marie hingegen wäre in diesem Augenblick am liebsten im Erdboden versunken, obwohl sie selbst nicht genau wusste, warum.
» Hör mal… Marie«, sagte Gabriel schließlich.
Marie sah auf. Die Falte auf seiner Stirn war immer noch da. Aber er lächelte, und das Lächeln brachte seine Augen zum Leuchten. Marie spürte, dass sie gar nicht anders konnte, als es zu erwidern.
» Ich würde mich gern mal richtig mit dir unterhalten. Hast du vielleicht Lust, am Samstag mit mir auf der Schanze einen Kaffee trinken zu gehen?«
Von einer Sekunde zur nächsten hatte Marie das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Hatte er das gerade wirklich gesagt?
» Ich… ich trinke aber keinen Kaffee«, brachte sie heraus und hätte sich im nächsten Moment selbst dafür ohrfeigen können.
Gabriel lachte sein leises, freundliches Lachen. » Meinetwegen auch eine heiße Schokolade. Also? Mondscheincafé, Samstag um drei? Kommst du?«
» Ich…« Marie suchte fieberhaft nach Worten. Ihre Mutter durfte das auf keinen Fall erfahren, schoss ihr durch den Kopf. Sie würde durchdrehen, wenn sie davon wüsste, so hyperbesorgt, wie sie immer war.
» Okay«, quetschte sie schließlich hervor. Etwas Klügeres fiel ihr einfach nicht ein.
Gabriels Augen leuchteten auf– und für einen Moment bildete sich Marie tatsächlich ein, die gelben Flecken in seiner Iris zu sehen. » Schön, dann bis Samstag.«
» Bis Samstag«, stammelte Marie und sah ihm nach, wie er noch einmal grüßend die Hand hob, sich dann abwandte und die Treppe hinaufschlenderte. Ganz ruhig, als sei es das Normalste von der Welt, ein fremdes Mädchen zum Kaffee einzuladen. Sie saß immer noch dort, als Theresa und Jenny kichernd und schwatzend die Treppe hinaufkamen.
» Hey!« Jenny machte große Augen. » Warst du die ganze Pause hier oben?«
» Wir haben auf dich gewartet!« Theresa schob die Unterlippe vor.
Marie hob leicht die Schultern. » Mir war es zu kalt draußen.«
Theresa und Jenny wechselten einen Blick. Manchmal ist sie schon komisch, besagte der Blick. Aber Marie kümmerte das nicht. Im Moment kümmerte es sie nicht einmal, dass sie am Samstag nicht auf das Editors -Konzert gehen oder ob es noch eine Weile dauern würde, bis sie sich mit Theresa aussprechen konnte.
Für Marie zählte im Augenblick nur der Junge, der sich wie selbstverständlich neben sie auf die Heizung gesetzt hatte. Der Junge, der mehr sang als sprach. Der im tiefsten Winter abgetragene Chucks trug. Und der sie, Marie, am Samstag treffen wollte.
Marie spürte, wie sie sich
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