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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Beer
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werden– das allein war es ihr wert. Sie hätte ewig hier stehen können, ohne sich je wieder zu rühren.
    Aber das sanfte Licht, das die Flüssigkeit in dem Glas auf ihrem Nachttisch verbreitete, erinnerte sie nur zu schnell daran, dass noch eine Aufgabe auf sie wartete. Die Feen taten ihre Arbeit. Lea würde die ihre ebenfalls erledigen. Widerstrebend ließ sie den Maskierten los und griff stattdessen nach seiner Hand. » Gehen wir.«
    Es war an der Zeit, weitere Geister aus dem Nebel zu befreien.

Vierzehntes Kapitel: Pandemie
    Gabriel wachte auf, weil sein Arm sich seltsam taub anfühlte. Unruhig bewegte er sich– nur um Sekunden später festzustellen, dass er nicht in seinem Bett lag, sondern in einer denkbar unbequemen Position auf dem Sofa geschlafen hatte. Neben ihm, so dicht, dass er spüren konnte, wie sich ihre Brust beim Atmen hob und senkte, saß Marie. Ihr Kopf war gegen seine Schulter gesunken, und ihr Oberkörper lag schwer auf seinem Arm.
    Gabriels Nacken knackte vernehmlich, als er den Kopf vorsichtig hin und her bewegte. Er stöhnte und musste still über sich selbst lachen. Er erinnerte sich noch, wie er gedacht hatte, sie sollten besser ins Bett gehen, nachdem sie ihm ausführlich von ihrem Besuch bei ihrem Therapeuten berichtet hatte. Es wäre sicher klüger gewesen, sich hinzulegen, statt wortlos nebeneinander zu sitzen, während ihnen in jeder Sekunde die Lider ein Stück weiter herabsanken. Aber offensichtlich war aus seinen vernünftigen Plänen nichts geworden. Draußen auf der Straße fuhren bereits die ersten Autos. Bis zum Weckerklingeln konnte es nicht mehr lange dauern. Sie mussten beide sehr erschöpft gewesen sein, wenn sie wirklich die ganze Nacht so auf dem Sofa zugebracht hatten– kein Wunder nach den Ereignissen, die sie gestern überrollt hatten. Erholt fühlte Gabriel sich jedenfalls nicht. Und gut geschlafen hatte er auch nicht. Im Gegenteil.
    Die letzten Reste seines Lächelns verblassten, als ihm einfiel, was er geträumt hatte. Wirr waren die Bilder gewesen, und düster, aber eines stand ihm noch sehr klar vor Augen: Das Loch in Maries Schatten war größer geworden, und unzählige Feen waren in sie hineingeströmt– mehr, viel mehr als beim letzten Mal, als er den Schwarm der Geflügelten gesehen hatte. Als hätten sie sich in der Zwischenzeit rasant vermehrt. Aber Marie war nicht aufgewacht, sondern hatte wehrlos dagelegen, während sie so missbraucht wurde, und Gabriel hatte nichts dagegen tun können. Wie gelähmt war er gewesen, sodass er nicht einmal nach ihr rufen konnte. Gleichzeitig schienen die Feen vor ihm zurückzuweichen, so weit es möglich war. Gabriel war sich sicher, Hass und Abscheu, aber auch Furcht in den funkelnden Augen gesehen zu haben, bevor sie in den Nebelschwaden verschwanden, die über der Stadt auf der anderen Seite lagen. Hatte er das wirklich geträumt? Oder war es tatsächlich geschehen? Aufmerksam ließ er seinen Blick über Maries Silhouette schweifen. Im schwachen Licht der Laternen unten auf der Straße konnte er keine Veränderung entdecken, weder an ihrem Körper noch an ihrem Schatten. Aber war das allein eine Antwort auf seine Frage? Wie auch immer, dachte Gabriel, besser, er erzählte ihr vorerst nichts davon. Sie hatte auch so genug Sorgen. Und selbst wenn es wirklich passiert war, gab es doch im Moment nichts, was sie dagegen tun konnten.
    Vielleicht würde ihnen der Besuch bei ihrem Therapeuten einen Hinweis geben, dachte Gabriel und sah nachdenklich zum Fenster hinüber. Er hatte ihr spontan vorgeschlagen, sie am Nachmittag bei ihrem Hypnosetermin zu begleiten– und war überrascht gewesen und hatte sich zugleich insgeheim geehrt gefühlt, dass Marie sofort zugestimmt hatte. Aber bis es so weit war, wollte er ihr jedes bisschen Frieden gönnen, das sie bekommen konnte.
    Vorsichtig streckte er die Hand aus und strich Marie über den Kopf. Ihre hellen Haare waren glatt und seidig unter seinen Fingern. Sie sah hübsch aus im Schlaf, dachte er. Nein, nicht nur im Schlaf, berichtigte er sich. Von einem Augenblick auf den anderen fühlte sich sein Gesicht um etliche Grad heißer an, als er daran dachte, wie er am Vortag aus einem Impuls heraus nach ihrer Hand gegriffen hatte. Ihr Freund. Gabriel schüttelte über sich selbst den Kopf. Sicher war es gut, dass er deswegen im Notarztwagen hatte mitfahren dürfen, aber– was war nur in ihn gefahren? Als hätte Marie keine dringenderen Probleme, als sich über sein ungeschicktes,

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