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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Beer
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Vorwürfe anzuhören. Mir geht es auch so dreckig genug! Aber was wirklich in meinem Leben los ist, das interessiert dich ja sowieso nicht.« Sie schüttelte wütend den Kopf. » Was willst du denn überhaupt? Ich dachte, du bist so verknallt in deinen tollen Johannes! Und nur weil Gabriel mich einmal angesprochen hat, rennst du ihm plötzlich wieder hinterher? Das ist so arm, echt!«
    Theresa lachte ein fassungsloses Lachen, das aus einer amerikanischen Daily Soap hätte stammen können. Selbst jetzt noch achtete sie genau darauf, wie sie auf die Zuschauer wirkte, von denen sich unterdessen zahlreiche eingefunden hatten.
    » Von wegen, einmal angesprochen!« Sie machte noch ein paar Schritte auf Marie zu, bis sie kaum noch zwei Armlängen voneinander entfernt waren. » Und warum hast du dann bei ihm übernachtet? Du wusstest genau, dass ich ihn mag! Das ist Verrat, Marie, kapierst du das nicht?« Auch in ihren Augen glitzerten nun zornige Tränen. » Wie hast du ihn rumgekriegt? Mit deiner ewigen Mitleidsmasche? Oooh, mein Papa ist tot! Oooh, ich habe einen Anfall, mir geht es sooo schlecht! Das ist einfach nicht fair!«
    Marie starrte Theresa fassungslos an. Sie glaubte nicht richtig zu hören. » Nicht fair? Nicht fair?! Sag mal, spinnst du jetzt total? Ich habe mir das nicht ausgesucht! Willst du meine Anfälle haben? Willst du, dass dein Vater tot ist statt meinem? Du hast doch überhaupt keine Ahnung, wie es mir geht oder was mir wichtig ist! Du mit deinem beschissenen Tanzkurs und deinem beschissenen Jungs-Hinterhergelaufe! Warum darf mich nicht auch mal jemand mögen? Die Welt dreht sich nicht nur um dich!«
    Theresa stand starr vor ihr wie eine Salzsäule. » Ach ja– natürlich!« Sie schlug sich leicht gegen die Stirn. » Wie konnte ich das vergessen? Alles, was nicht den epischen Dramafaktor deines Lebens hat, ist schließlich völlig unwichtig. Und natürlich muss man dir immer alles gönnen und dir alles verzeihen, weil du ja schon so viel leiden musstest!« Sie verzog verächtlich den Mund. » Du kannst mich mal mit deiner Deprinummer, Marie, ehrlich! Komm, Jenny. Wir gehen.«
    In diesem Moment hatte Marie das Gefühl, dass etwas in ihr zerbrach. Sie schnappte nach Luft, aber es wollten keine Worte aus ihrem Hals kommen.
    » Mademoiselle braucht uns anscheinend nicht mehr«, sagte Theresa laut, während sie sich– Jenny im Schlepptau– schon abwandte. » Wir sind ihr nicht wichtig genug.«
    Noch einmal rang Marie verzweifelt um Atem. » Theresa!«, stieß sie hervor. Nein, es sollte so nicht enden! So hatte sie das nicht gewollt!
    Theresa sah über die Schulter zu ihr zurück. Zwei Tränen liefen über ihr Gesicht und zeichneten schwarze Spuren aus Wimperntusche und Eyeliner auf ihre Wangen. Ihre Miene aber war eisig. » Sprich mich einfach nie wieder an, okay? Nie. Wieder.«
    Hilfe suchend sah Marie zu Jenny. Doch sie wusste sowieso, dass die in jedem Fall zu Theresa halten würde, auch wenn besorgte Kummerfalten auf ihrer Stirn erschienen waren.
    Und dann wandten sich ihre ehemals besten Freundinnen endgültig von ihr ab und ließen Marie allein zurück, zwischen den tuschelnden und verstohlen gaffenden Zaungästen ihres Streits. Maries Schultern sanken herab. Sie fühlte sich plötzlich unendlich schwer. Vielleicht erwartete Theresa von ihr, dass sie ihr hinterherlief, wie sie es bei Gabriel getan hatte. Aber sie tat es nicht. Theresa hatte es nicht ausgesprochen, aber Marie wusste, was sie dachte– und sie hatte recht: Es ging nicht um diesen einen Streit, nicht um Gabriel und nicht einmal um diesen elenden Tanzkurs. Zwischen ihnen war schon lange etwas kaputt. So konnten sie keine Freundinnen sein. Nicht mehr.
    Marie drehte sich um und verließ das Gebäude, schleppte sich mit Beinen wie Bleiklötze über den Hof und den Parkplatz und immer weiter, bis die Schule weit hinter ihr lag. Wie in Trance wanderte sie durch die winterlich grauen Straßen. Ihre Füße fanden den Weg zur S-Bahn ganz von selbst. Ihre Augen brannten noch immer, aber obwohl sie jetzt ungestört hätte weinen können, tat sie es nicht. Sie hatte das Gefühl, als wäre ihr Inneres ausgetrocknet, als hätte die Verzweiflung alles bis auf einen dumpfen Schmerz aufgefressen, sodass ihr nichts mehr zu fühlen übrig blieb. Sie war froh, dass sie gleich ihren Termin bei Dr. Roth hatte– auch wenn sie in diesem Moment eigentlich am liebsten ins Krankenhaus gefahren wäre. Es musste doch möglich sein, ihre Mutter wenigstens zu

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