Als die schwarzen Feen kamen
sehen, und wenn es durch eine Glasscheibe war! Noch einmal überprüfte Marie ihr Handy. Nichts. Also wählte sie nun die Nummer des Krankenhauses– nur um zu erfahren, dass ihre Mutter immer noch auf der Wachstation lag.
Sie stopfte das Telefon zurück in ihre Tasche und zog die Schultern hoch, während sie weiter voranstapfte. Dann würde sie eben direkt zu Dr. Roth gehen. Mit seiner Hilfe würde sie vielleicht endlich mehr über die Feen herausfinden, damit sie sie irgendwie zurück in die Schattenwelt treiben konnte, aus der sie gekommen waren. Er musste ihr helfen, damit alles wieder normal wurde.
Er war jetzt ihre größte Hoffnung.
Achtzehntes Kapitel: Reise in die Vergangenheit
Als sie in die Straße einbog, in der die Praxis lag, war es noch eine gute Viertelstunde zu früh für ihren Termin. Umso überraschter war Marie, als sie auf der kleinen Mauer, die das Haus von der Straße abgrenzte, eine vertraute Gestalt entdeckte.
Gabriel hatte den Kopf zurückgelegt und starrte in die schneeschweren Wipfel der Bäume.
Maries Herz schlug augenblicklich schneller, und eine Welle der Erleichterung spülte ein wenig von dem Schmerz weg, der in ihrem Inneren bohrte. Er war hier! Er war gekommen! Also hatte er ihr wirklich verziehen. In diesem Moment schien die Welt ein kleines bisschen heller zu werden. Sie war eben doch nicht ganz allein.
Doch schon in der nächsten Sekunde holte sie der Gedanke daran ein, warum sie überhaupt hatte zweifeln müssen, ob er kommen würde.
Was war passiert? Wie stand es um seine Freundin, wenn er sie so früh schon wieder verlassen hatte?
Als sie sich näherte, wandte Gabriel den Kopf und sah sie an. Maries Herz machte einen erschreckten Satz. Etwas flatterte in ihrem Magen und plötzlich wäre sie am liebsten zurückgewichen. Hatte sie heute Mittag in der Schule geglaubt, er wirke angespannt? Sie hatte ja keine Ahnung gehabt, wie finster er wirklich aussehen konnte. Das kleine bisschen Glück, das sie bei seinem Anblick empfunden hatte, zerplatzte und ließ nichts als zitternde Aufregung zurück. Zögernd blieb Marie stehen, nur ein oder zwei Schritte von ihm entfernt.
Gabriel stand langsam auf. Seine Augen waren gerötet von der kalten Winterluft, und er wirkte abgekämpft, als hätte er viele Stunden schwerer Arbeit hinter sich. Eine kleine Ewigkeit blieben sie voreinander stehen und sahen sich an.
» Deine… Freundin?«, fragte Marie schließlich, obwohl sie sich vor der Antwort fürchtete. Ohne, dass sie etwas dagegen tun konnte, war ihre Stimme zu einem Flüstern herabgesunken.
Es dauerte einige Sekunden, bis Gabriel antwortete.
» Tja… wo soll ich anfangen«, murmelte er schließlich.
Marie spürte, wie sich in ihrer Kehle ein dicker Klumpen bildete. » Also waren es wirklich die Feen?«
Gabriel nickte. » Ich weiß jetzt, was sie mit den Menschen tun, die sie angreifen. So wie bei deiner Mutter.«
Marie biss sich auf die Unterlippe, bis es schmerzte. Sie war sich nicht sicher, ob sie das hier überhaupt weiter hören wollte. Gabriel litt, das war ihm deutlich anzusehen. Und Marie zweifelte, ob sie so eine Nachricht gerade heute besser ertragen konnte als er. Vor allem nicht, wenn es um ihre Mutter ging.
Gabriel atmete einige Male schwerfällig aus und ein. » Lass uns später darüber reden«, sagte er dann leise. » Bringen wir zuerst deine Sitzung hinter uns.«
Marie starrte ihn an, versuchte hinter die Fassade zu sehen, die Gabriels Gedanken vor ihr verbarg. Egal, was er behauptete, er wollte es sagen, erkannte sie. Es belastete ihn so sehr, dass es ihn erdrückte, und er musste es loswerden. Und trotzdem versuchte er die ganze Zeit schon, Rücksicht auf sie zu nehmen.
Entschlossen schüttelte sie den Kopf. » Nein«, bat sie. » Erzähl es mir jetzt. Wir sind noch früh dran.«
In Gabriels Augen konnte sie Überraschung und Zweifel lesen. Dann aber streifte die Spur eines Lächelns seine Lippen, auch wenn es alles andere als fröhlich war. Es ähnelte mehr einer Grimasse. » Bist du sicher?«
Marie nickte stumm.
Gabriel sah sie noch eine Weile schweigend an. Seine Miene war jetzt weicher, und nun konnte Marie auch die Wut sehen, die versteckt hinter der Fassade brodelte. Aber diese Wut richtete sich nicht gegen sie. Zumindest nicht direkt.
» Sie… fressen sie von innen auf.« Als Gabriel endlich sprach, kamen die Worte zögernd, als brächte er sie kaum über die Lippen– als würde die Wut, die nun stärker wurde, seine Stimme ersticken. »
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