Als die Tiere den Wald verließen
inneren Auge standen nur noch dicke, saftige Würmer und sonst gar nichts. Er achtete nicht auf das schlammige Wasser, das in kleinen Rinnsalen in das Loch sickerte, während er weitergrub. In seiner Aufregung vergaß er völlig, daß er sich auf gefährlichem Grund und Boden befand. Die anderen Tiere waren inzwischen fertig mit dem Trinken und versammelten sich auf einer trockeneren Stelle. Alle fühlten sich erfrischt. Der Fuchs schaute sich um, ob alle da waren. »Sind alle da?« fragte ihn der Dachs. »Nein«, antwortete der Fuchs mit ernstem Gesicht. »Der Maulwurf fehlt. Ich wette, daß er nach diesen Würmern gräbt.«
»Ja, das tut er. Ich habe ihn graben sehen«, warf der
Waldkauz ein.
»Das hättest du uns aber sagen müssen«, meinte der Fuchs
schroff. »Es wird eine harte Arbeit werden, ihn wieder
hochzuholen!«
»Da es ihm der Dachs erlaubt hat, hielt ich es nicht für nötig,
es euch zu sagen«, erwiderte der Waldkauz so würdevoll wie
möglich. Der Fuchs schaute den Dachs überrascht an. »Nun,
bevor wir aufbrachen, habe ich zum Maulwurf gesagt, wir hätten vielleicht genug Zeit, damit er ein paar Würmer suchen kann«, erklärte der Dachs. »Er hätte natürlich den richtigen Zeitpunkt abwarten müssen. Ich hätte nicht gedacht, daß etwas Derartiges
passieren würde.«
Der Fuchs schüttelte den Kopf. »Du bist viel zu weichherzig,
Dachs«, sagte er. »Der Maulwurf hat schon mehr als genug
gefressen.«
»Tut mir leid«, sagte der Dachs. »Aber du weißt ja, Fuchs,
wie kläglich der Maulwurf sich manchmal anhört.« »Ja, ja.« Der
Fuchs nickte müde. »Ich mag ihn genauso gern wie du. Aber in
diesem Fall ist er nur einfach gefräßig. Wir sollten unsere Zeit
jedoch nicht mit Reden verschwenden. Wo hat er gegraben,
Waldkauz?« Der Waldkauz flog zu der Stelle hin und wies mit
ausgestreckten Beinen nach unten auf das Loch, während er wild
mit seinen großen Flügeln schlug, um sich in der Schwebe zu
halten.
»Wiesel, kannst du die anderen zurückbringen?« fragte der
Fuchs. »Der Dachs und ich kommen nach, sobald der Maulwurf
wieder auftaucht. Es würde ihm recht geschehen, wenn wir alle
verschwinden würden und er allein zum Lager zurücklaufen
müßte, aber dann würden wir ihn vermutlich nie mehr zu Gesicht
bekommen.« Das Wiesel gehorchte und führte die Tiere in die
Richtung des Lagers davon.
»In diesem Loch scheint außer Wasser nichts zu sein«, sagte
der Fuchs und untersuchte den Boden genau. »Bist du sicher, daß
dies die richtige Stelle ist, Kauz?« »Ganz sicher. Ich habe genau
gesehen, wie er hier verschwunden ist.«
»Meine Güte, sicher muß er hier ertrinken!« sagte der Fuchs
beunruhigt. »Schnell, Dachs, wir graben daneben noch ein
zweites Loch und versuchen, ihn zu erreichen.«
Die beiden Tiere scharrten wie wild in der schwammigen
Erde, aber sobald sie etwa zehn Zentimeter tief gegraben hatten,
füllte sich das Loch rasch mit Wasser. Sie versuchten es noch ein
paarmal, doch immer mit demselben Resultat.
»Es hat keinen Zweck«, sagte der Fuchs und wagte es nicht,
den Dachs anzusehen. »Er muß ertrunken sein.« »O nein!
Bestimmt nicht!« rief der Waldkauz, der ein sehr schlechtes
Gewissen hatte. »Er hat sicher einen Gang nach der Seite
gegraben. Ich bin sicher, daß er jeden Augenblick wieder
hochkommen muß!« In diesem Augenblick wurden sie durch
einen roten Schimmer zwischen den Bäumen abgelenkt. »Was das wohl sein mag?« brummte der Dachs. Dann schaute er wieder nach unten und begann noch einmal zu graben. »Meint ihr, wir sollten ihn vielleicht rufen!« fragte der Waldkauz, der auf einem Schilfbüschel saß. »Zwecklos«, sagte der Fuchs. »Er spürt eher die Erschütterung, die von uns ausgeht, als unsere Stimmen. Es gibt leider kaum Hoffnung. Ich bin sicher, er wäre inzwischen hochgekommen, wenn er könnte.« »Vielleicht frißt er noch?« sagte der Dachs hoffnungslos. »Du weißt ja, sein Appetit...« »Psst!« zischte der Fuchs. »Hört mal!« In der Ferne konnten sie Stimmen hören, viele Stimmen, ganz leise zuerst und dann immer lauter. Sie tauschten besorgte Blicke, ihre Körper erstarrten. Der rote Schimmer, den sie gesehen hatten, schien zu flackern und glühte dann von neuem auf. Plötzlich sahen sie, wie das Wiesel auf sie zugerannt kam, dicht gefolgt von den Hasen und den Kaninchen. »Feuer!« schrien sie. »Rennt um euer Leben! FEUER! FEUER!«
9
Feuer!
Im ersten Moment wollte sich der Fuchs instinktiv umdrehen und davonrennen, denn wie alle Tiere hatte er
Weitere Kostenlose Bücher