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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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nicht über sie, so oft trafen wir uns auch nicht im Haus. Eines allerdings habe ich mitbekommen, dass die beiden Damen aus Riga Russisch sprachen und sich daher mit Ludmila gut unterhalten konnten. Dies sollte uns allen zugutekommen, als die Russen am 8. Mai 1945 in Dresden einmarschierten.
    Ich hatte nicht zu hoffen gewagt, einige Freunde in der Bakteriologie-Schule wieder anzutreffen. Der Schulleiter, dessen Wohnung sich in demselben Haus ein Stockwerk höher befand, war gerade anwesend. Er wollte es kaum glauben, dass ich zurückgekommen war, aber er zeigte auch Verständnis dafür, als ich ihm meine Überlegungen darlegte. Den Unterricht fortzusetzen, meinte Dr. Schmitt, hätte keinen Sinn, es waren ja nur noch wenige Teilnehmer, außerdem wollte er einiges an Chemikalien und Geräten verpacken, noch war es doch sehr ungewiss, wer von den Alliierten uns in Besitz nehmen würde.
    Es blieb mir also nichts anderes übrig, als mich noch einmal von Dr. Schmitt zu verabschieden.
    Nun, da ich schon einmal hier war, so dachte ich, könnte ich versuchen, Stella zu treffen. Auf dem kurzen Weg zu ihrem Elternhaus überlegte ich noch, ob die Zeit günstig sei, so kurz vor Mittag, doch da klingelte ich auch schon. An einem der Fenster wurde die Gardine etwas zurückgeschoben, plötzlich war das Geräusch einer Türe zu hören und ein lautes »Petra, bist du es?« erscholl. Stella kam, den Gartenweg in großen Sprüngen nehmend, auf mich zu, schloss das Gartentor auf und umarmte mich. »Ich freue mich ja so, dich zu sehen!«, rief sie begeistert aus. Und wie ich mich erst über das Wiedersehen freute!
    »Wie kommt es, dass du hier bist?« Ihre Stimme überschlug sich förmlich. In wenigen Sätzen erzählte ich ihr von meiner Vision und dass es danach für mich keine andere Entscheidung mehr gegeben hatte.
    Ich berichtete Stella, dass ich eben bei Dr. Schmitt gewesen war und erfahren hatte, dass er keinen Unterricht mehr abhielte, dass ich wieder bei Frau Rudolph, allerdings in ihrem Haus, wohnte und fragte in einem Atemzug:
    »Kommst du mich einmal besuchen, Stella, oder können wir uns einmal treffen?«
    Stella meinte, wenn sie keine genaue Zeit einhalten müsse, würde sie mich gerne einmal besuchen. Ihre Mutter bräuchte ihre volle Unterstützung, sie leide an Depressionen und sollte daher nicht allzu lange alleine sein.
    Es war eine Erleichterung, wie ich mir eingestehen musste, nicht alleine das Häuschen zu bewohnen. Das Schlafzimmer, das ich bezogen hatte, lag mit der Aussicht auf den Augustusweg, den täglichen Anblick des kleinen Anwesens konnte ich so vermeiden. Tagsüber war ich mit Frau Rudolph in ihrem kleinen Esszimmer, das Wohnzimmer war ja nun zur Schlafstätte geworden.
    Oft kochten die Damen aus Riga und Ludmila mit Frau Rudolph in deren Küche, die Lebensmittel wurden gemeinsam aufgebracht und das Essen gerecht verteilt. Es war eine schöne Wohngemeinschaft, wir Frauen verstanden uns sehr gut, nur Herr Enders hielt sich von allem fern, er hatte, wie seine Frau Margret meinte, zwei linke Hände und wenn es einmal brenzlig würde, hätte er mehr Angst als Vaterlandsliebe. Was sich später vollinhaltlich bestätigen sollte, als die Russen rundum die Häuser besetzten.
    Auf Anraten der Mitbewohner verließ ich das Haus nur, wenn es unbedingt nötig war. Tiefflieger waren täglich unterwegs, zielten auf alles, was sich bewegte, sogar in offene Fenster wurde geschossen. Die ohnehin schon knappen Lebensmittel besorgte Frau Rudolph zusammen mit der älteren Dame aus Riga. Frau Rudolph meinte, wenn ihr etwas zustoßen würde, sei das nicht so schlimm, sie hätte ja niemanden mehr, der um sie trauerte, außerdem sei sie auch schon alt. Von ihren Angehörigen aus Ostpreußen hatte sie lange nichts mehr gehört. In den ersten Kriegsjahren hatten die ihr regelmäßig Lebensmittel zukommen lassen. Die Vorräte in ihrer Speisekammer zeugten noch davon, Glas an Glas war gefüllt mit Fleisch, Schmalz, Obst, und immer gab sie davon ab, wenn gemeinsam gekocht wurde.
    Sehr schwer fiel es mir, Hedy und Max meine Rückkehr mitzuteilen. Ich schrieb ihnen, dass ich ab Leipzig einen Zug bis Radebeul erwischt hatte, als Erklärung für meine Rückkehr erwähnte ich, dass ich große Befürchtungen gehabt hatte, später überhaupt von der Insel wegzukommen. So sei ich wieder in ihrer Nähe und hoffe auf die Möglichkeit, sie bald wiederzusehen. Ich wohnte jetzt bei Frau Rudolph im Haus, das nun voll besetzt sei. In Anbetracht der sich

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