Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
verschwunden, alle Bemühungen, sie noch einmal irgendwo zu entdecken, waren vergebens, sie war und blieb verschwunden.
Nach mehrmaligem Halten auf freier Strecke kamen wir am Morgen gegen acht Uhr in Radebeul an. Es war ein schmerzliches Gefühl ohne Gisela, ich fühlte mich plötzlich so verlassen, dass ich erst einmal stehen bleiben musste, weil ich für eine ganze Weile mit den Tränen kämpfte. Was wohl Frau Rudolph sagen würde zu meiner Rückkehr? Ich sprach mir selbst Mut zu. Wenn in unserem Institut noch unterrichtet wurde, konnte ich weiter an den Vorlesungen teilnehmen, sollte ich nicht mehr im Häuschen wohnen können, würde ich bei Hedy und Max bleiben. Was man unterwegs so erfahren konnte, war erschreckend, allgemein war man ganz sicher, dass es nur noch kurze Zeit dauern würde, bis alles zusammenbrach. Also hieß es, erst mal abwarten, ehe man Pläne schmiedete die vielleicht doch nicht umgesetzt werden konnten. Meine Überlegungen halfen mir, den Weg in den Augustusweg fortzusetzen, mit einem wehen Gefühl im Herzen, aber auch erleichtert, hier wieder heil angekommen zu sein.
An der Haustüre von Frau Rudolph klingelte ich. Ich war mir ganz sicher gewesen, dass Frau Rudolph die Türe öffnen würde, doch statt ihrer stand ein großer Mann mit weißem Haar, einer Brille, Ende 40 in der Haustüre und fragte mich mit deutlich holländischem Akzent, zu wem ich wolle.
»Eigentlich wollte ich zu Frau Rudolph und um den Schlüssel bitten für das kleine Häuschen, ich habe mit meiner Freundin dort gewohnt und wollte mir die Erlaubnis holen, auch weiterhin dort unterkommen zu dürfen«, erklärte ich.
»Ach, Sie sind eine der jungen Damen, die nach Rügen gefahren sind?«
»Ja, ich bin die Edith, meine Freundin Gisela ist auf der Insel bei ihren Eltern geblieben.«
»Mein Name ist Jan van Enders, meine Frau Margret und ich wurden vorige Woche hier einquartiert, wir wurden in Dresden ausgebombt, kommen aber ursprünglich aus Holland.«
»Darf ich nun hereinkommen? Oder wollen Sie Frau Rudolph bitten, an die Türe zu kommen?«
»Entschuldigung, bitte kommen Sie doch herein«, bat er mich höflich. Er nahm mir den Koffer ab, stellte ihn in den Flur, während ich in das Wohnzimmer lief. Frau Rudolph drehte mir gerade den Rücken zu, als ich sie beim Namen rief. Langsam wandte sie sich um und sah mich erst ganz ungläubig an, dann kam die Reaktion. »Mein Gott, Edith, sind Sie es wirklich? Und alleine?«
Ich nickte und ging auf sie zu, wir umarmten uns schweigend, die Freude war ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. »Wollten Sie nicht auf der Insel bleiben?«, war ihre etwas besorgte Frage.
»Nein, Frau Rudolph, ich musste einfach weg, obwohl die Eltern von Gisela dagegen waren und mein Weggehen bedauerten, aber mein Gefühl sagte mir, dass ich zurückkehren sollte, um hier die weitere Entwicklung abzuwarten.«
»Wie lange waren Sie unterwegs?«
»Seit gestern Morgen um acht Uhr, ich hatte viel Glück und Hilfe, sonst hätte ich es wahrscheinlich nicht geschafft. Kann ich denn weiter in dem Häuschen wohnen? Ich werde mich erkundigen, vielleicht schon morgen, ob die Schule weiter unterrichtet, sonst müsste ich nach Niederau zurück zu Familie Descher.«
»Natürlich können Sie hierbleiben, aber in dem Häuschen möchte ich Sie nicht alleine wohnen lassen, das ist nun doch zu unsicher. Ich mache ihnen folgenden Vorschlag: Wir beziehen mein Bett neu, dann schlafen Sie sich erst mal, nachdem Sie etwas gegessen haben, so richtig aus. Mein Bett werde ich mir im Wohnzimmer herrichten, so kann es vorerst einmal bleiben. Alles Weitere warten wir einfach mal ab.«
Wie froh ich über den Vorschlag von Frau Rudolph war, wurde mir erst so richtig bewusst, als ich am späten Abend aufwachte.
Am Morgen stellte Frau Rudolph mir Frau Margret van Enders vor, Herr van Enders war, wie er mir ja am Vorabend schon erzählt hatte, Holländer, seine Frau Margret war Deutsche. Herr van Enders war nun der einzige Mann im Haus und, wie mir schien, nicht gerade aus hartem Holz. Das Ehepaar sprach darüber, dass sie nach Holland zurück wollten, sobald dies möglich sei. Sein Bruder würde den Stoffgroßhandel aufrechterhalten, bis sie, Herr und Frau van Enders, zurückkämen. Bis zur Bombardierung hatten sie einen Stoffladen in Dresden besessen. Da waren aber noch mehr Mitbewohner:
Die beiden Damen, Mutter und Tochter, aus Riga waren mir ja schon bekannt, dann war da noch eine junge Polin, Ludmila, viel erfuhr ich
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