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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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reinste Völkerwanderung, ein Elend ohnegleichen. Wohin wir unterwegs waren, war nicht auszumachen, die Orte, die wir durchfuhren, nahmen wir im Grunde nicht wahr, die Franzosen auf dem Laster unterhielten sich sehr angeregt, leider konnten wir sie nicht verstehen. Als wir von unserem Nebenmann angesprochen wurden, antwortete ich in Schweizerdeutsch, aber das Einzige, was er scheinbar verstand, war ›Schweiz‹. Jetzt hatten wir wenigstens die Gewissheit, dass keine weiteren Fragen auf dem Laster an uns gestellt wurden.
    Gegen Abend landeten wir wieder auf einem Kasernenhof, es waren mehrere Gebäude mit einem großen Innenhof, auf dem schon einige Transporter parkten. Scheinbar waren die Transportierten schon in den Gebäuden untergebracht. Wie dieser Ort hieß, habe ich überhaupt nicht mitbekommen, was ich mir allerdings überlegte, wenn die hier Ankommenden alle Franzosen waren, dann musste es doch die von den Franzosen besetzte Zone sein? Wir hatten keine Ahnung, wie das deutsche Gebiet unter den Alliierten aufgeteilt worden war. Wo fingen die einzelnen Zonen an? Unser Schicksal lag ab nun in den Händen der Befreier.
    »Alles absteigen!«, so wurden wir aufgefordert, man führte uns in einen Raum und befahl uns, hier zu warten. Eine Türe ging auf, paarweise oder einzeln wurden wir hintereinander in den Raum geschoben. So bekamen wir mit, dass wir von einem französischen Kommissar überprüft wurden. Der Türsteher schob uns gemeinsam in den Raum, nachdem Anton ihm zu verstehen gegeben hatte, dass wir zusammengehörten. An einem Schreibtisch saß der französische Offizier, links und rechts standen zwei Wachen, breitbeinig, die Hände auf dem Rücken, die Augen auf uns gerichtet.
    »Namen, bitte etwas lauter«, nörgelte der Offizier, »Ihr Wohnort?«
    »Wir wohnen in Rheinfelden in der Schweiz«, mischte ich mich ein.
    »Wie, sagten Sie, heißt der Ort?« Ich wiederholte langsam und erklärte, dass der Ort etwa sieben Kilometer von Basel entfernt liege.
    »Wann geboren?«
    Ich legte meinen Schulausweis auf den Schreibtisch. »Mehr habe ich nicht mehr«, erklärte ich.
    »Wie kamen Sie überhaupt mit nur diesen Papieren bis hierher?«
    »Mit denselben Angaben, die wir Ihnen hier auch nur machen können. Wir wurden in Dresden ausgebombt.«
    »So? Das kann man hinterher ja immer behaupten«, meinte der Offizier in sehr strengem Ton, der mich doch unsicher werden ließ.
    »Nein, nach dem Angriff sind wir in Radebeul untergekommen. Wir wollten auf der russischen Kommandantur Passierscheine beantragen, da bekamen wir vom Kommandanten die Auskunft, wir könnten ohne dieses Dokument unsere Reise antreten.«
    »Haben Sie in der Schweiz Angehörige, bei denen wir über Sie Auskunft einholen können?«, war die nächste Frage,
    »Ja, das können Sie, ich weiß nur nicht, wie meine Mutter zu erreichen ist, seit November 1944 habe ich nichts mehr von ihr gehört. Aber eine Schwester meines Vaters lebt mit ihrer Familie in Basel (ich meinte damit die Schwester von Kurt, meinem Stiefvater).« Mit klopfendem Herzen gab ich die Adresse an, obwohl mir klar war, dass die Tante mit meinem angenommenen Namen nichts anfangen konnte. Es musste ganz einfach riskiert werden.
    »Wieso tragen Sie keine Ringe, wenn Sie verheiratet sind?« So lautete die nächste Frage, dieses Mal war Anton schneller.
    »Wir haben erst im Januar geheiratet, Ringe aufzutreiben, war uns nicht möglich. Aber das werden wir alles nachholen mit unseren Familien.«
    »Gut«, entschied der Offizier, »wir nehmen Sie in einem Transport mit nach Frankreich, dort werden wir Ihre Identität überprüfen, aber ich mache Sie hier darauf aufmerksam, sollte diese nicht stimmen, kommen Sie in Frankreich -wie sagte man hier so schön?- in ein Konzentrationslager.«
    Während des ganzen Aufenthaltes in diesem Lager begleiteten mich diese Drohungen. Es machte nicht gerade Mut, was wir hier verkündet bekamen. Zunächst aber wurden Anton und ich getrennt, alle Ankömmlinge mussten unter die Dusche und wurden auf Läuse untersucht, mit einem stinkenden Mittel wurden wir eingesprüht, dann durften wir uns wieder anziehen. Wir Frauen kamen getrennt von den Männern in verschiedene Gebäude. Auf Stroh lag ich neben einer jungen Frau mit zwei Kindern von vier und sechs Jahren. Die Kleinen waren so verängstigt, bei jedem Geräusch klammerten sie sich an ihre Mutter. Als die Mädchen schliefen, erzählte mir die junge Frau, dass sie seit Längerem nichts von ihrem Mann gehört

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