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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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stürzte. Was für eine Freude, der kleine Kerl überschlug sich beinahe. Beim Aufsehen sah ich Auler langsam mir entgegenkommen. Er blieb stehen, breitete die Arme aus und umarmte mich.
    »Willkommen, Mutter, willkommen, schön dass du da bist!« Ich hakte mich unter, so liefen wir in Richtung Haus. Plötzlich blieb er stehen und zeigte auf die große Grasfläche auf dem Grundstück. »Weißt du es noch, wie du mir auf dieser Wiese das Leben gerettet hast?«
    »Wie könnte ich dies vergessen«, sagte ich nachdenklich.
    »Was für ein Glück, Mutter, dass du das Geschehen beobachtet hast, es hätte für mich schlimm ausgehen können«, bekräftigte der alte Herr und blieb eine Weile nachdenklich stehen. Beobachtet hatte ich damals fünf Kühe, die das Privatgrundstück als ihre Weide betrachteten. Dr. Auler, der mit Lumpi einen kleinen Spaziergang machte, ging kurzerhand auf die Wiese, um die Kühe zu vertreiben. Plötzlich ging eine der Kühe mit gesenktem Kopf auf Auler los, nahm ihn buchstäblich auf die Hörner und warf ihn auf die Erde. Sie setzte ein zweites Mal an, schleppte ihn ein Stück vorwärts, warf ihn zu Boden und stieß mit den Hörnern gegen ihn. Gerade, als sie ein drittes Mal ansetzen wollte, war ich mit einer Peitsche, die meist in der Halle auf einer Truhe für diesen Zweck lag, herbeigelaufen und schlug auf das Tier ein. Die Kuh lief davon, die andern hinterher, so konnte ich mich um den alten Herrn kümmern. Er stöhnte vor Schmerzen, wie ich es schaffte, ihn in den ersten Stock in sein Zimmer zu bringen, weiß ich heute gar nicht mehr. Ich legte ihn auf sein Bett, rief Dr. Brühne an, und der veranlasste, dass Dr. Auler mit einem Krankenwagen nach Todtnau zum Röntgen gebracht wurde. Dabei stellte man fest, dass eine Rippe gebrochen war, schwere Prellungen verursachten ihm große Schmerzen. Die erforderliche Pflege übernahm ich in seinem Haus.
    »Jetzt wollen wir aber nicht über diese Dinge reden«, sagte ich vorsichtig, »erzähle mir lieber, wie es dir geht.«
    »Im Augenblick sehr gut«, meinte Auler.
    Lumpi wich nicht von meiner Seite, wenn wir uns ein Weilchen unterhielten, stupste er mich an, als wollte er sagen: He, ich bin auch noch da.
    Die ganze Zeit saßen wir in dem kleinen Zimmer, der alte Herr in seinem Sessel an der Wand, die Hände wie immer beim Erzählen über der Brust gefaltet, ich gegenüber, Lumpi auf meinem Schoß. Es war fast so, als sei ich nie von hier weg gewesen.
    Diese Jahre auf dem Berg waren Teil eines gemeinsamen Lebens, geprägt von der Nachkriegszeit, Hunger und Kälte hatten uns im Griff, sie waren die stärksten Gegner gewesen. Auch das Gespenst Krankheit hatte Einzug im Auler-Haus gehalten, aber wir hatten allem getrotzt. Diese Jahre gehörten zu meinem Leben, fast wie das tägliche Brot. Beim Anblick des alten Herrn, der mir gerade gegenübersaß, tat mir das Herz weh. Seine Einsamkeit war zu spüren, ein innerer Kampf begann. Mach dir kein schlechtes Gewissen, ermahnte ich mich, lass es nicht zu, bei ihm zu bleiben, um dich wieder um ihn zu kümmern. Nein, das ging nicht, jetzt musste ich mich um mein Leben kümmern. Den Anfang hatte ich gemacht, wenn auch auf die Dauer nicht das Hotel mein Ziel war. Sobald ich die Gelegenheit hatte, wollte ich mich als Diätassistentin bewerben. Wenn ich noch fachlich in Ernährungsberatung bestand, dann hatte ich für mich genug erreicht.
    Über August wurde nicht gesprochen, was hätte ich auch erzählen sollen? Was es bisher zu berichten gab, hätte seinen Vater nur in seiner Meinung bestätigt: Siehst du, ich hatte doch recht.
    Während der Saison, August hatte immer noch keine standesgemäße Anstellung, wie er beliebte, sich auszudrücken, schrieb ich ohne sein Wissen an Prof. Heinkel. Ich erinnerte ihn daran, dass er mir einen Wunsch erfüllen wollte. Mein Wunsch beziehungsweise meine Bitte an ihn war, ob er etwas für August tun könnte, er fände für sich keine geeignete Arbeit. Ich erwähnte in dem Brief, dass August mir erzählte, er habe einmal in den Heinkel Werken gearbeitet. Von meinem Vorstoß sei August nicht informiert, es sei aber auch mein Wunsch, August in einer Position zu wissen, wo es wieder ein geregeltes Leben für ihn geben könnte. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten, der Inhalt gab mir allerdings einige Bedenken. So stand in dem Antwortschreiben, dass er, Prof. Heinkel, mir gewiss jeden Wunsch erfüllt hätte, wäre er für mich persönlich gewesen. Diesen Wunsch allerdings

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