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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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zum Tauschen. Die Adressen standen sogar in den Anzeigen, Telefon hatte kaum jemand. Helmut wurde morgens in den Kindergarten gebracht. Der Weg dorthin war ca. zwei Kilometer und ging zuerst an der langen Mauer der Rütgers Werke entlang, dann an der Kreuzung nach rechts, und von dort führte die Straße in das Dorf. Der Kindergarten lag etwas abseits, am Rande einer bepflanzten ehemaligen Wiese. Jedes Fleckchen Erde wurde genutzt, um genügend Nahrung zu produzieren.
    Frau Weiler brachte den Jungen am Morgen selbst in das Dorf. So konnte sie auf dem Rückweg mit ihrer mitleiderregenden Miene bei den Bauern anklopfen und klagen, dass sie einen sehr kranken Mann habe und einen kleinen Jungen, dazu hier noch ganz fremd sei, ohne Angehörige. Ihr Mann sei wegen kriegswichtiger Produktion nach Niederau versetzt worden und arbeite nun in den Rütgers Werken als Ingenieur. Was sie dringend benötigte, seien Milch, Butter, wenn möglich Eier und mal ein Huhn für Brühe. Das bekomme ihrem Mann immer wieder gut. Sie hatte fast jedes Mal Erfolg, aber sie achtete peinlich genau darauf, was verbraucht wurde. Selbst von meiner doppelten Portion Butter, die wir Jugendlichen zugeteilt bekamen, behielt sie die Hälfte davon für Helmut. Ihre Touren nach Dresden und Umgebung nahmen zu, an meinen schulfreien Tagen war sie den ganzen Tag unterwegs. Es war nun mir überlassen, das Mittagessen zu kochen, den Haushalt in Ordnung zu halten und ebenso die Betreuung von Helmut zu übernehmen. Immer öfter kam Herr Weiler mit Magenbeschwerden nach Hause. Gegen 13 Uhr musste auch Helmut wieder vom Kindergarten abgeholt werden, der Rückweg war für mich sehr beschwerlich, die Straße stieg an der langen Mauer entlang leicht an, und so wurde das Schieben ab der Hälfte des Weges recht mühsam.
    Am Dorfeingang, direkt an der Straße nach Meißen, lag ein großes Obstgrundstück. Es erstreckte sich eingezäunt die Dorfstraße entlang bis an das Wohnhaus, das durch ein großes Gartentor zu erreichen war. Vor dem Haus, eingebaut in ein kleineres Gartenhaus, bewachsen mit Efeu, stand eine Wasserpumpe, eine Wasserversorgung, wie man sie häufig hier vorfand. Der ganze Wasserverbrauch, selbst für das Baden in einer Zinkwanne, wurde hier abgepumpt. Es war das erste Haus, bevor man das Dorf erreichte. Das Ehepaar Hedy und Max Descher wohnte hier. Max Descher hatte aus erster Ehe einen Sohn, er hieß Erich. Max wurde schon sehr früh Witwer, lebte nun in zweiter Ehe mit Hedy, aus dieser Ehe gab es keine Kinder. Hedys Vater hatte das Anwesen seiner einzigen Tochter übergeben. Er lebte mit im Haus, bewohnte zwei Zimmer und versorgte sich noch selbst, bis er starb.
    Ein kleiner Heuschober stand auf dem Grundstück. Es gab Hühner, Enten und eine Ziege. Max fütterte die Kaninchen, die er wie kleine Kinder hegte. Hinter dem Haus war ein großer Gemüse- und Kräutergarten angelegt, es gab auch viele Sträucher mit Beeren. Die Obstbäume, Äpfel und saftige Birnen, trugen reiche Ernten, die zum Teil für Zucker, Mehl oder sogar Schweinefleisch eingetauscht wurden. Der köstliche Apfelsaft konnte gegen frisches Obst gehandelt werden. ›Selbstversorger‹ nannte man das damals. Frau Weiler hatte alles in ganz kurzer Zeit ausfindig gemacht und hatte ihre festen Anlaufstellen. Bei Hedy und Max Descher hatte sie auch schon des Öfteren angeklopft, brachte von dort ab und zu ein Huhn mit sowie Eier und Obst. Eines Nachmittags, als ich Helmut vom Kindergarten abgeholt hatte, stand Frau Descher am Gartentor und sprach mich an. Sie meinte, dass sie mich fast täglich sehen würde, wenn ich den Jungen abholte. Der Kleine kannte Hedy und strahlte, als er sie sah. Sie lud uns ein, in ihr Haus zu kommen, sie habe ein Huhn gekocht und daraus eine gute Nudelsuppe zubereitet. Im ersten Moment wollte ich ablehnen, dann fiel mir aber ein, dass Frau Weiler erst gegen Abend zurückkam, und ich nahm dankend an. War doch dieses Angebot zu verlockend. Hedy erzählte mir, dass Frau Weiler schon öfter mit Helmut bei ihnen gewesen war und gerne etwas mitnahm. Auch Kuchen, den Hedy auf einem großen Blech buk, mit Obst und dicker Schmandcreme darauf, nahm sie des Öfteren mit. Hedy stellte die Frage, ob ich denn auch etwas davon bekommen würde. Ich bejahte eifrig, obwohl ich noch nie etwas davon gesehen hatte. Hedy meinte beiläufig, dass Herr Weiler doch sehr krank und untergewichtig sei und man Frau Weiler dringend geraten habe, auf eine gute Ernährung zu achten, was nun doch

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