Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
Vom Netzwerk:
nehmen konnten. Gesund oder verwundet, aber zumindest am Leben, einander liebevoll festhaltend und sich zuflüsternd: ›Alles ist gut, nun ist alles gut!‹
    Erna bemerkte meine geistige Abwesenheit.
    »Du hast wohl ein bisschen Angst davor, den Soldaten zu treffen?« Ich bejahte, meinte aber, dass die Freude überwog, ihn kennenzulernen, gleichzeitig aber befürchtete, dass es bei dem einzigen Treffen bleiben müsste, da Florian nach dem Urlaub an die Front müsse. Erna verstand mich, lenkte mich ab und tröstete mich.
    »Schau, du bist sehr jung, hast das Leben vor dir. Was uns die Zukunft bringt, wissen wir alle nicht. Freue dich darüber, dass ihr euch sehen könnt. Schreibt euch, so oft es geht, und genießt einfach das Heute. Du hast vielleicht dann schöne Erinnerungen, die du dein Leben lang in dir trägst. Das kann dir niemand nehmen.« Erna nahm mich in den Arm. Ich weinte einfach still vor mich hin, bis ich spürte, dass die Anspannung von mir wich und Erna mich sanft auf einen Stuhl setzte. Ihr Verständnis tat mir gut. Sie stellte keine Fragen, hielt einfach meine Hand. Ich fühlte, dass ich nicht alleine war.

    Nach einem gemütlichen kleinen Abendessen übergab ich Erna den von Großmutter mit Stiefmütterchen bestickten Taschentuchbehälter, den sie mir extra für Erna mitgegeben hatte. Sie freute sich sehr darüber und bewunderte die kunstvolle Stickerei. In Ehren wollte sie das Geschenk halten und dabei auch an mich denken, meinte sie.
    Es war eine kurze Nacht. Wir hatten uns vieles zu erzählen, fanden einfach kein Ende. Auch Else und Bruno wurden zu einem großen Teil Inhalt unserer Gespräche. Natürlich erzählte ich Erna von dem Einschreibebrief, der Bruno so aus der Fassung gebracht hatte, wofür sie ein vielsagendes Lächeln zeigte. Aber als ich ihr schilderte, wie Bruno in das Bad kam und vor mir seinen Bademantel auszog, konnte sie vor lauter Lachen kein Wort herausbringen. Erst als sie sich beruhigt hatte und sich die Tränen abwischte, die Folge ihres Gelächters waren, meinte sie trocken:
    »Es hätte mich schon gewundert, wenn er es bei dir unterlassen hätte, seine Männlichkeit zu demonstrieren. Bei sämtlichen meiner Vorgängerinnen hatte er es gemacht. Es hat sich immer von der Vorgängerin auf die Nachfolgerin übertragen, nur waren wir alle schon älter als du.« Natürlich erzählte ich ihr von dem verlorenen Koffer. Meine Gedanken ließen mich oft nicht zur Ruhe kommen. Wenn ich an Hedy dachte, wie würde sie es aufnehmen, würde sie mir deshalb böse sein?
    »Sicher«, meinte Erna, »wird es ihr leidtun, dass der Koffer von Erich verloren ging. Es trifft dich keine Schuld, schließlich sind ja auch deine Sachen weg. Sicher auch einiges, was dir lieb und teuer war. Aber überlege mal, wie viele Menschen haben bei einem Angriff alles verloren? Was ist da schon ein Koffer?« Sie hatte ja so recht. Das machte alles leichter, wenn ich zurück war und Hedy gestehen musste, dass ich ohne Erichs Koffer ankäme. Erna konnte für mich bei ihren Eltern zwei Paar Schuhe auftreiben. Auch Strümpfe bekam ich und von Erna noch Unterwäsche. Ich muss gestehen, mein Koffer, den ich von Mutter bekommen hatte, war voller als der auf der Hinreise. Jeder schenkte mir etwas, was mir passte und noch völlig in Ordnung war. So war ich gerüstet für den Neuanfang auf der Schule in Dresden.
    Die Nacht verlief für mich sehr unruhig. Ich wagte nicht, mich dauernd umzudrehen, um Erna nicht zu stören. Wir schliefen zusammen in ihrem Schlafzimmer. Früh am Morgen stand Erna auf und machte sich im Bad fertig. Danach das Frühstück. Als ich Bedenken hatte, ihr Frühaufstehen sei meine Schuld, versicherte sie:
    »Nein, ich bin immer schon ein Frühaufsteher gewesen.« Was auch daran lag, dass sie ihren Eltern im Betrieb half. Dadurch blieb ihr eine Zwangsverpflichtung erspart. »Aber solange du bei mir bist, bleibe ich hier. Wir wollen das Beisammensein genießen.« Meine Anspannung war groß. Florian wollte mich um elf Uhr abholen, irgendwo mit mir Mittag essen, dann wollten wir überlegen, wie wir den Tag weiter gestalten könnten.
    Erna wollte sich gerade die Fotografie von Florian ansehen, als es an der Haustüre klingelte. Wir hatten viel Zeit am Morgen vertrödelt, mit dem Problem, was ich anziehen sollte. Die Entscheidung wurde durch das Klingeln stark beschleunigt. Florian stand vor der Tür mit einem Blumenstrauß in der Hand, als Erna öffnete. Ich hörte ihn seinen Namen nennen, als Erna sich

Weitere Kostenlose Bücher