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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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Stübchen, eine gute Suppe und liebe Menschen, die an meinem Leben teilnahmen. Den Eintopf aß ich mit Heißhunger.
    Hedy freute sich darüber.
    »Iss, mein Mädel, du musst schon noch kräftiger werden. Nun erzähl«, forderte sie dann, »wie war es?«
    »Och, ganz nett. Frau Stern ist recht freundlich. Sie lud mich zum Wiederkommen ein und meinte, es sei schön, dass ich mich mit Franzl gut verstehe. Sie haben einen Spaniel mit Namen Poldi und einen schwatzhaften Papagei. Er heißt Cora.«
    »Na und? Weiter.« Max bat seine Frau, mich doch zu Ende essen zu lassen.
    »Also, Franzls Vater lebt in Amerika. Er ist emigriert, Frau Stern und Franzl wollen ihm später über den großen Teich folgen. Bisher haben sie noch kein Lebenszeichen von ihm. Frau Stern aber ist sich ganz sicher, dass es einmal klappen wird. Frau Stern ist Deutsche, groß, blond, kräftig. Soviel ich mitbekommen habe, regelt ein Anwalt die Finanzen.«
    »Wie willst du dich jetzt verhalten?«, stellte Max besorgt die Frage.
    »Wie, was, wo? Ich verhalte mich so wie bisher. Franzl ist ein lieber Freund und wird es sein, solange wir uns täglich in der Schule begegnen. Was danach ist, wird sich zeigen. Ich würde mich freuen, wenn wir auch dann noch gute Freunde bleiben. An Franzl schätze ich sein korrektes Verhalten. Er ist fröhlich und hilfsbereit. Kann man von einem Schulkameraden mehr erwarten? Ohne ihn wäre ich mir manchmal sehr verloren vorgekommen. Über die Familienverhältnisse hat Frau Stern mich aufgeklärt. So hätte ich nun Gewissheit. Die Entscheidung, mich weiter mit Franzl zu treffen, läge ganz bei mir.«
    »Was hast du geantwortet?«, erkundigte sich Max.
    »Was sollte ich antworten? Ich habe mit dem Familienalbum der Sterns keine Probleme.«
    »Gut so, mein Mädel«, freute sich Hedy. Max pflichtete ihr bei und damit war das Thema abgeschlossen. Franzl blieb mein Schulfreund. Aber Erika war ja auch neugierig darauf, was ich für Neuigkeiten von Frau Stern mitbrachte. Viel wusste ich nicht zu erzählen: vom Spaniel Poldi und dem lautstarken Papagei, vom köstlichen Streuselkuchen, vom tollen Garten und dem schönen Haus mit den vielen Zimmern. Aber sonst – den Vater von Franzl hätte ich nicht gesehen. Wahrscheinlich lebe er nicht mehr, er sei auch nicht erwähnt worden.
    Damit gab sich Erika zufrieden. Sie hat während der ganzen gemeinsamen Schulzeit keine diesbezüglichen Fragen mehr gestellt.

    Kurz vor Weihnachten kam Vater zu Besuch. Er brachte mir eine Armbanduhr mit, Hedy einen warmen Schal, Max bekam Zigaretten. Es war eine sehr kurze Visite. Ehe er zurückfuhr, schlug er vor, dass ich im Frühjahr nach Hamburg kommen sollte. Vorsichtig fragte er nach Mutter. Ich konnte ihm nur sagen, dass bisher zu Hause, außer Mangel an Heizmaterial und knappem Essen, soweit alles noch in Ordnung war. Mutter musste nach wie vor Pillen verpacken und Kurt schuftete in Schichten in der Rüstungsindustrie. Die Post funktionierte noch. Ich bekam regelmäßig Briefe von Mutter, Großmutter und Miriam.
    Vater brachte uns für das Fest eine halbe Pute mit. Er übergab sie freudestrahlend Hedy. Aber wie bis Weihnachten aufbewahren? Hedy bereitete den Vogel fertig zu, portionierte ihn und weckte ihn in Einmachgläsern ein. So hatten wir auch länger etwas davon. Äpfel gab es im Herbst reichlich, auch Birnen. Das Obst wurde auf dem Dachboden einzeln ausgelegt, damit es lange haltbar blieb. Auch Beeren weckte Hedy ein. Allerdings alles ohne Zucker. Wenn ein Glas geöffnet wurde und es war Zucker da, wurde etwas darüber gestreut. Wir hatten sicher noch keinen Grund zur Klage. Vielen Menschen ging es viel, viel schlechter: ausgebombt, der Winter schon kalt, keine warme Kleidung mehr, knapp zu essen, fast kein Heizmaterial. Alte Menschen konnten all diesen Entbehrungen nicht mehr standhalten, kleine Kinder ebenso wenig. Wenn ich wieder einmal so richtig satt war, musste ich jedes Mal daran denken, wie viele Menschen hungerten. Doch es wurde immer schlimmer.

    Die Feiertage verliefen ruhig. Es war ein großer Reichtum, wenn man satt wurde und es ein wenig warm in einem Zimmer hatte. Hedy hatte einen herrlichen Apfelkuchen gebacken. Der alte Küchenherd funktionierte gut, wenn es mal selbstgebackenes Brot gab, schmeckte es köstlich. Hedy organisierte schon mal beim Tauschen ein bisschen Schweinefett mit Grieben. Und das auf ein Stück frisch gebackenes Brot gestrichen, schmeckte bereits wie Weihnachten. Zwar vermisste ich die Schule über die

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