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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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Ganz ehrlich war es nicht, als ich von ›gerne‹ sprach. Eigentlich wusste ich ja nichts von ihm. Dann wohnte er auch noch auf dem Weißen Hirsch. Ich hatte davon gehört, dass es ein ganz elegantes Viertel sein sollte. Was würden Hedy und Max dazu sagen? Es beschäftigte mich während der gesamten Heimfahrt, und ich überlegte, wie ich es vorbringen sollte. Auch hatte ich Florians Tod noch nicht ganz verkraftet. Aber gerade deshalb meinte Hedy, ich sollte die Einladung annehmen: »Sicher ist Frau Stern dir dankbar, dass du mit Franzl Freundschaft geschlossen hast.«
    »Nun«, meinte ich, »wenn du es so siehst, dann werde ich die Einladung annehmen.«
    »Was willst du anziehen?«, sorgte sich Hedy.
    Es war kalt und so viel Auswahl hatte ich nicht. »Weißt du was, Hedy, ich ziehe mein dunkelblaues Kleid mit den selbstgestrickten Borten an. Für diese Jahreszeit ist es das Richtige.«
    »Das stimmt, ich habe noch dickere dunkelblaue Strümpfe, die du anziehen kannst. Dann bist du ausgerüstet«, meinte Hedy. Warme Strümpfe waren wichtig mit meinen empfindlichen Füßen. Immerhin war ich bis abends spät unterwegs.
    »Aber ich habe kein Geschenk für Frau Stern«, überlegte ich.
    »Na, wir finden schon etwas«, beruhigte mich Hedy und schmunzelte. »Mach deine Aufgaben, gehe früh zu Bett, damit du morgen auf Draht bist. Dann wirst du sicher einen schönen Tag haben.«
    »Ich verstehe nur nicht«, überlegte ich weiter, »dass Franzl sich ausgerechnet Erika und mich als Freundinnen ausgesucht hat. Die anderen weichen ihm aus. Warum nur?«
    »Nun, vielleicht wirst du es herausfinden, wenn du dich mit seiner Mutter unterhältst.«
    Ausgerüstet mit einem Gebinde aus Zweigen und Schneerosen, das Hedy gebastelt hatte, startete ich am anderen Morgen. Hedy hatte das Präsent gut verpackt, so konnte man nicht auf Anhieb erkennen, was es war. Schließlich musste ich es ja mit in die Schule nehmen. Franzl nahm es mir in der Schule gleich ab, somit war die Aufmerksamkeit der anderen zunächst von mir abgelenkt. In der Pause erzählte ich Erika von meinem Vorhaben. Sie meinte dazu lächelnd:
    »Dann benimm dich anständig, auch wenn du mal keine Dame werden solltest.« Ich stupste sie freundlich und versprach, ihr genau zu berichten.

    Frau Stern empfing mich sehr freundlich. Sie entsprach so gar nicht der Vorstellung, die ich mir von ihr gemacht hatte. Sehr groß war sie, nicht gerade schlank, hatte hellblondes Haar und blaue Augen, sie wirkte bieder und herb. Unwillkürlich musste ich an die großen Plakate denken, die an Fabrikhallen, in Bahnhöfen und auf Anschlagwänden zu sehen waren: die deutsche Frau arischer Abstammung, pflichtbewusst als Mutter und treu dem Vaterland dienend. Blond, blauäugig, schlank und sportlich.
    Scheinbar hatte Frau Stern mein Erstaunen bemerkt und stellte mir ganz direkt die Frage, ob ich von ihr enttäuscht sei.
    »Nein, nein«, gab ich ganz verlegen zur Antwort, »in meiner Familie ist niemand blond, wir sind alle dunkelhaarig und die meisten meiner Angehörigen sind nicht sehr groß. Deshalb mein Erstaunen, bitte entschuldigen Sie, wenn ich mich nicht ganz korrekt verhalten habe.«
    »Dies ist doch kein Grund, sich zu entschuldigen. Ich sah nur Erstaunen in Ihrem Gesicht.« Meine Gedanken schweiften zurück. Als Dora die Vermutung aussprach, Stern sei ein Judenname, da vermutete ich dunkelhaarige Menschen von kleiner bis mittlerer Körpergröße. Aber wieso sollten Sterns Juden sein? Franzl war genauso groß und ganz hellblond, also der vielgepriesene nordische Typus. Nun ja, jetzt galt es erst einmal abzuwarten. Egal, ob dunkelhaarig und groß, ob blond und klein. Oder auch ganz anders.
    Franzl war ein lieber Freund, nie aufdringlich, stellte kaum Fragen, was meine Familie betraf. Er war nur erstaunt, dass ich bei fremden Menschen wohnte, wie er es ausdrückte. Gab sich dann aber mit der Erklärung zufrieden, wie ich nach Niederau gekommen war. Worauf er überlegte, dass dies doch ein gewagtes Unternehmen sei in einer so unsicheren Zeit.
    Frau Stern bat zum Kaffee, nachdem wir uns ein bisschen unterhalten hatten. Sie meinte, dass es im Frühjahr sehr schön hier oben sei. Da könnte man im Garten Kaffee trinken. Es war ein großes Gelände um das Haus. Sehr gepflegt, ganz sicher auch viel Arbeit. Sie zeigte mir ein Badezimmer, wo ich mich ein wenig frisch machen konnte vor dem Kaffee. Es gab auch einen Spaniel, Poldi mit Namen. Sehr lieb und gut erzogen. Er war Franzls Freund. Als ich

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