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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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auf dem mir angebotenen Stuhl Platz nahm, kam nach einer Weile Poldi, setzte sich neben mich und beobachtete mich intensiv. Erst wusste ich nicht so richtig damit umzugehen, aber dann sprach ich ihn einfach an und er legte seinen Kopf auf meinen Schoß. Franzl lachte daraufhin:
    »Er mag dich, du hast gewonnen!«
    Nach dem Kaffee bat uns Frau Stern in das Wohnzimmer. Es war gemütlich warm. Sie bot mir einen Sessel an, während sie mir gegenüber Platz nahm. Ich blieb stehen, bis Frau Stern saß und mich dann nochmals aufforderte, mich zu setzen. Franzl, der sich auf das Sofa lümmelte, stand nach einer Weile auf, um sich kurz zu entschuldigen. Er wolle nur nach seinen Fischen sehen und käme gleich wieder. Heute bin ich sicher, dass es so zwischen Mutter und Sohn abgesprochen war.
    Frau Stern richtete sofort die Frage an mich, ob ich wisse, dass Franzl Halbjude sei. Ich verneinte, aber, ob es denn so wichtig sei, dies zu wissen, war meine Frage.
    »Es ist jedenfalls gut, wenn Sie darüber informiert sind. Franzls Vater ist nach Amerika emigriert mit ganz wenig Geld in der Tasche. Unser Anwalt hat unsere Fabrik verkauft und verwaltet alles. Wo mein Mann untergekommen ist, wissen wir nicht. Schreiben kann er uns nicht. Wir können nur hoffen, dass es ihm gut geht. Er hat Freunde in Amerika. Wir, Franzl und ich, sind fest davon überzeugt, dass Vati uns eines Tages nachholen wird. Hier hat Franzl keine Zukunft, er darf ja auch nicht studieren. Deshalb nutzt er die Zeit, um in der Privatschule etwas dazuzulernen. Er hat mir erzählt, dass Sie mit ihm in einer Bank sitzen. Dass er Sie sehr mag, weil Sie so unkompliziert sind und auch den Verunglimpfungen von Mitschülern keine Beachtung schenken.«
    »Wissen Sie, Frau Stern«, sagte ich daraufhin, »man hat mich als Kind gelehrt, niemanden zu missachten, egal was er ist, woher er kommt oder wohin er geht. Ich habe als kleines Mädchen oft sehr gelitten, wenn mich jemand nach meinem Vater gefragt hat. Mein Großvater gab mir einmal zu verstehen, jeder Mensch habe sein eigenes Schicksal, wofür er selbst nicht verantwortlich sei. Daran denke ich häufig.«
    »Was meinten Sie damit, als Sie von Ihrem Vater sprachen?«, fragte Franzls Mutter.
    »Das ist eine längere Geschichte, Frau Stern. Aber wenn es geht, werde ich Ihnen das ein anderes Mal erzählen. Ich danke Ihnen, Frau Stern, dass Sie so offen mit mir gesprochen haben. Aber dies wird nichts an meiner Freundschaft zu Franzl ändern. Ich freue mich, dass es Ihren Sohn gibt und wir uns oft ohne Worte verstehen.«
    Frau Stern stand auf, nahm mich in den Arm.
    »Ich danke Ihnen.«

    Franzl brachte mich zur Seilbahn, die von der Villensiedlung hinunter ins Elbtal führte, und erklärte mir das Umsteigen in die Straßenbahn nochmals genau.
    Als wir uns verabschiedeten, sah er mich fragend an. »Bist du erschrocken über den Inhalt des Gesprächs mit meiner Mutter?«
    »Weshalb sollte ich? Zufällig weiß ich aus Erzählungen meiner Familie, dass mein Großvater die Abstammung 200 Jahre zurück nachweisen musste, als drei Schwestern meiner Mutter je einen SA-Angehörigen heirateten. Hätten meine Tanten diesen Nachweis nicht erbringen müssen, wer von uns hätte gewusst, von wo die Familie ursprünglich stammte? Ich denke, darüber hätte sich auch niemand Gedanken gemacht. Und deine Herkunft hat einen großen Vorteil für mich: du musstest das Studium verschieben. So habe ich einen Freund an meiner Seite, zumindest, solange wir gemeinsam diese Schule besuchen. Darüber bin ich sehr froh.«
    Franzl äußerte, als er mir zum Abschied die Hand drückte: »Es ist schön, dass es dich gibt.«

    Es war stockdunkel, als ich in Niederau ankam. Eigentlich bin ich bei Dunkelheit sehr ängstlich, aber an diesem Abend störte es mich nicht. Hedy machte sich schon Sorgen. Sie atmete förmlich auf, als ich zur Tür hereinkam. Mein Schnuppern, als ich die Küche betrat, ließ Hedys Augen leuchten.
    »Gell, mein Mädel, du hast Hunger!«
    »Oh ja, mächtig, ich schätze, du hast eine tolle Gemüsesuppe gekocht!«, freute ich mich und hob den Deckel vom Topf. »Hm, die riecht gut.«
    »Die schmeckt auch bestimmt«, versicherte Hedy und bat mich, drei Suppenteller in die kleine Stube zu bringen.
    »Habt ihr denn nicht Mittag gegessen?«
    »Nein«, erwiderte Hedy, »wir wollten mit dir essen. Du hast sicher viel zu erzählen, und jetzt haben wir auch Zeit, dir zuzuhören.« Wie schön, dachte ich, was kann man mehr verlangen, als ein warmes

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