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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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»Ja«, meinte Max nachdenklich, »wie viele müssen wohl noch geopfert werden, bis der Spuk vorüber ist.« Hedy übergab mir während dieses Gespräches einen Brief. Die Handschrift kannte ich nicht, aber der Absender war Florians Mutter.
    Ahnungslos wollte ich wissen: »Wieso das denn?«
    »Na, mach schon auf«, drängte Hedy. Ich öffnete den Brief und las:

    ›Liebe Edith, so darf ich Sie doch nennen? Es fällt mir sehr schwer, Ihnen diese Zeilen zu schreiben, um damit den Wunsch unseres Sohnes Florian zu erfüllen. Ehe er wieder an die Front musste, bat er mich darum, sollte ihm etwas zustoßen, dass ich Sie, liebes Kind, davon in Kenntnis setze. Er ist in Frankreich gefallen. Wo genau, haben wir nicht erfahren können. Tatsache aber ist, dass es kein Grab gibt, wo wir ihn besuchen können. Tatsache ist, dass er, wie noch so viele andere junge Menschen, irgendwo begraben ist und wir, die Angehörigen weit weg, trauern um unsere Söhne. Er sprach so nett von Ihnen und meinte, dass Sie beide uns zusammen mal besuchen würden. Es wäre schön gewesen für mich und meinen Mann. Bewahren Sie sein Andenken. Er hatte Sie sehr lieb. Vielleicht meint es das Schicksal gut mit uns und wir könnten uns einmal kennenlernen. Aber wie es scheint, trägt mein Mann sehr schwer an diesem Verlust. Ich kann nur hoffen, dass er die Kraft aufbringt, den Schmerz irgendwann zu besiegen. Ihnen alles Gute wünschend, in der Hoffnung, vielleicht ein paar Zeilen von Ihnen zu bekommen, grüßt Sie Martha Schröder‹

    Das war einer von diesen Tagen, wo die schlechten Nachrichten überwiegen und man nicht weiß, wie man damit fertig werden soll.
    Es gibt nicht nur eine Möglichkeit, einem Menschen die Zuneigung zu zeigen. Heute weiß ich, dass ich, als Florian sich von mir verabschiedete und ich ihm mein Versprechen gab, dies aus ehrlicher Zuneigung tat. Heute gestehe ich mir dies ein, wo ich mich damit abfinden muss, dass es ein Abschied für immer war. Es war so endgültig. In die Trauer drängte sich ein dankbares Gefühl, das mir bestätigte, es war richtig, Florian das Versprechen zu geben, auf ihn zu warten. Erna hatte recht, als sie meinte, es habe Florian viel bedeutet, als er wieder an die Front musste. Seinen Eltern würde ich, sobald ich in der Lage war, kondolieren. Ich würde ihnen schreiben, dass ich nicht wüsste, wie ich sie trösten kann, da ich selbst Trost gebrauchen könnte. Ich würde ihnen einfach ganz still in Gedanken die Hände drücken, mit ihnen weinen und beten, ihnen versichern, dass Florian auch in meinem Herzen für immer einen Platz habe. Erna würde es auch treffen. Sie war von Florian sehr angetan. Ihr kann ich nur immer sehr dankbar dafür sein, dass sie es ermöglicht hat, unser Treffen in schöner und dankbarer Erinnerung zu behalten.
    Es tat gut, Erika und Franzl in der Schule wiederzusehen. Beide merkten meine Bedrücktheit. Sie verstanden es, mich zu trösten. Franzl kam sogar am anderen Tag mit einem kleinen Primeltöpfchen, das er mir, als er mich zum Bahnhof brachte, übergab. Er meinte, es sei eine Geste des Verstehens, und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Dies war das einzige Mal, solange wir uns kannten, dass er dies tat.
    So hatte sich in kürzester Zeit manches verändert. Isabell kam nicht mehr zur Schule. Wir erfuhren nur, dass sie ernstlich erkrankt sei. Nun waren wir noch zu dritt. Erika musste für Weihnachten kräftig zu Hause helfen, und Franzl war nicht gerade jemand, mit dem man in Kaufhäusern alles auf den Kopf stellen konnte. So fuhr ich meist pünktlich nach Niederau zurück und übte fleißig Steno und Schreiben auf einer klapprigen Schreibmaschine, die mir Vater bei seinem letzten Besuch mitgebracht hatte. Dies machte wenig Spaß. Ich wollte zwar keine Musterschülerin sein, aber ich gab mir Mühe und bewältigte diese langweiligen Aufgaben. Ich musste es schaffen. Dafür hatte ich mich entschieden. Mit dem Verlust Florians und Isabells Erkrankung war ich an der Grenze des Erträglichen angekommen. Ich hatte oft große Mühe, die Tränen zu verbergen. Aber es half doch nichts. Sicher würde die Zukunft noch schwerere Prüfungen für mich bereithaben, ganz sicher.

    Kurz vor Weihnachten lud Franzl mich im Namen seiner Mutter zum Kaffee bei sich zu Hause ein. Ein wenig war ich schon überrascht. Er wollte mich erst am nächsten Tag mit nach Hause nehmen, damit ich Hedy und Max noch vorher Bescheid sagen konnte. Ich dankte Franzl und sagte ihm, dass ich gerne mitkommen würde.

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