Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
Klassenkameraden haben mich Petra getauft, als ich ihnen erzählte, dass ich gerne so heißen würde. Aber mein richtiger Name ist Edith.«
»Gut«, schmunzelte Laurenz, »wir akzeptieren den Namen Petra, aber es wäre schöner und einfacher, wenn wir uns duzen würden. Außerdem lässt es sich so auch viel besser plaudern.«
Wir erklärten uns einverstanden und schüttelten uns die Hände, dazu meinte Laurenz: »Wollen wir hoffen, dass wir auf ein ›Du‹ wenigstens mit einer Limonade oder Ähnlichem anstoßen können.« Beim Betreten des Lokals konnte ich feststellen, dass ich Karl gerade bis zur Schulter reichte. Er war dunkelhaarig, eigentlich war sein Haar schwarz. Seine Augen waren blau. Sein schmales Gesicht wirkte vertraut und anziehend. Scheinbar betrachtete ich ihn lange und intensiv. Dies wurde mir erst bewusst, als er mir lächelnd in die Augen sah. Ganz fest hatte ich mir vorgenommen, mich wie eine Erwachsene zu benehmen. Aber eine gewisse Unsicherheit machte sich doch bemerkbar. So war ich froh, als Gisela und Laurenz ununterbrochen erzählten, sich gegenseitig Fragen stellten und Karl und ich stille Zuhörer sein konnten.
Erst als der Tanz begann und Karl und ich alleine am Tisch saßen, kamen wir miteinander ins Gespräch, und Karl erzählte mir, dass er aus Weilheim komme, in der Nähe von Tübingen, wo er auch studiert habe, ehe er eingezogen wurde. Falls er als Folge seiner Verletzung nicht mehr an die Front müsste, würde er gerne sein Studium fortsetzen. Karl war sehr interessiert an meinem Lebenslauf. Er meinte danach, dass sich alles sehr abenteuerlich anhörte, und wollte wissen, wieso meine Mutter in Südbaden lebte und Vater in Hamburg. So gab ich ihm zu verstehen, dass meine Eltern sich getrennt hätten, ich einen Stiefvater hätte und mein Vater, wie erwähnt, in Hamburg wieder verheiratet sei.
Karl sah mich lange an. »Kommst du damit zurecht?«
»Wie du siehst, kann ich damit leben. Mal besuche ich meinen Vater, mal besuche ich meine Mutter. Am meisten aber zieht es mich in Mutters Richtung. Meine Großeltern leben auch da. Sie bedeuten mir sehr viel, ebenso die Schwestern meiner Mutter. Ich bin trotz aller Widrigkeiten, wie du heute erkennen kannst, groß und stark geworden.«
»Na, ein bisschen übertreibst du aber, kleines Mädchen. Stark lass ich gelten und sehr tapfer, aber groß … ?«
Ich spürte sofort, dass ich zu Karl Vertrauen haben konnte. Ich fühlte mich sogar angezogen von der Art, wie er mit mir sprach. Es war kein Drängen in unserer Unterhaltung. Karl stellte mir Fragen, die ich ohne Scheu beantwortete, so als gehörten sie einfach hierher, um beantwortet zu werden. Auch unsere Ausbildung interessierte ihn. Er fragte, was unser Lehrplan beinhaltete. Ob wir genügend Lehrmaterial hätten. Darauf erzählte ich ihm, dass wir mit unserem Schulausweis in bestimmten Fachbuchhandlungen das Material, wenn auch zum Teil schlecht gebunden, erstehen konnten. Gisela und Laurenz waren bereits wieder auf der Tanzfläche. Karl und ich waren so in das Gespräch vertieft, dass wir es gar nicht bemerkten. Erst als sie wieder zurückkamen, fiel es uns auf. Karl entschuldigte sich, dass er nicht tanzen könnte wegen der Verletzung an seinem rechten Bein. Ich zerstreute seine Bedenken und gestand, überhaupt nicht tanzen zu können.
»Das lässt sich alles irgendwann nachholen«, meinte er schließlich. Die Musik wurde sehr laut, das Gedränge war groß. Viele Paare kamen und gingen sofort wieder, weil sie sicher fürchteten, den ganzen Abend keinen Platz zu bekommen.
Plötzlich wurde Karl sehr still. Er fasste an seine Stirn und meinte, ich solle entschuldigen, er hätte Kopfschmerzen. Ein bisschen frische Luft würde ihm bestimmt gut tun. Wir warteten, bis der Tanz zu Ende war und Gisela mit Laurenz zurückkam, um die Plätze zu besetzen. Dann ging ich mit Karl nach draußen, hakte mich links bei ihm ein und wir liefen ein Stück. Als wir das Lokal wieder betraten, machte Gisela den Vorschlag, noch ein wenig in unserem Häuschen zusammenzusitzen und zu plaudern. Es wäre vor allem nicht so laut. Und warm sei es auch. Tee wäre noch vorrätig, den hätten wir schnell gekocht. Einzig wäre der Weg um zehn Minuten länger zur Straßenbahn, wenn die beiden später zurückfuhren. Begeistert stimmte Laurenz zu. Karl sah mich an und als ich sagte, dass ich den Vorschlag gut fände, stimmte er ihm auch zu. Laurenz hatte noch irgendein Getränk beim Wirt erstanden und so zogen wir
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