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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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gegen 19.00 Uhr los. Es blieben den beiden Soldaten noch drei Stunden bis zum Zapfenstreich. Eine Stunde mussten sie für die Fahrt rechnen. Besorgt gab Karl zu bedenken, als wir den Gartenweg zu unserem Häuschen entlangliefen, was wohl Frau Rudolph sagen würde, wenn sie bemerkte, dass wir Besuch hätten.
    »Mach dir keine Sorgen«, beruhigte ihn Gisela, »das klären wir morgen.« Wir tranken Tee. Brot hatten wir auch und Käse. Aber unsere Gäste lehnten das Essen dankend ab. Karl meinte, die Schwestern würden ihnen sicher etwas in ihr Zimmer stellen, sie würden nicht hungrig den Tag beenden.
    Rechtzeitig brachten wir die beiden zur Straßenbahn und warteten, bis sie abfuhren. Dabei bemerkte ich an Karls Stirn, rechts am Haaransatz, eine breite Narbe. Scheinbar war diese auch der Grund für seine starken Kopfschmerzen. Es blieb noch genügend Zeit, bis die Straßenbahn kam, um ein neues Treffen zu vereinbaren. Laurenz fragte Gisela, wann er sie wiedersehen könne.
    »Wie wäre es, wenn wir uns treffen für ein gemeinsames Abendessen im ›Italienischen Dörfchen‹?, schlug Karl vor. Allgemeine Begeisterung. Karl wusste, dass es dienstags für Wehrmachtsangehörige immer ein bisschen was extra gab. Also wollten wir uns um 17.30 Uhr am Theaterplatz treffen. Für uns beide war es günstig zu fahren und verlaufen konnten wir uns dort auch nicht.
    In der Nacht sah ich Karl vor mir. Ich sah, wie er mir freundlich zulächelte, wie er meine Hand berührte, beim Verabschieden an der Straßenbahn mich mit dem linken Arm umschlang. Er berührte meine Seele. Aber ich hatte auch Angst. Was war, wenn es nur eine flüchtige Sache war? War ich dafür stark genug? Ist es aber nicht so, dass die Flüchtigkeit gerade jeden Augenblick so kostbar macht?
    Wenn Liebe echt ist, geht sie nicht verloren. Man stellt sie in den Mittelpunkt des Lebens. So geschah es. Karl wurde der Mittelpunkt meines Lebens, all meiner Hoffnungen. Er war es, der mich auffangen konnte und mich hielt.

    Es regnete stark, als wir am Theaterplatz ankamen. Gisela hatte sich besonders viel Mühe mit dem Herrichten ihrer Haare gemacht. Aber ihre natürlichen Locken nahmen keine Rücksicht darauf. Sie quollen durch die feuchte Luft auf. Laurenz stieg als Erster aus, blieb stehen und war Karl behilflich beim Aussteigen. Sie kamen gemeinsam auf uns zu und begrüßten uns. Laurenz nahm Gisela in den Arm, griff ihr in die feuchten Haare.
    »Du hast dich aber hübsch gemacht, mein Mädchen.«
    »Ich hatte ein Problem mit meinem Haar, aber dieses Problem hast du ja nun gelöst«, erwiderte sie. Ich glaube nicht, dass Laurenz ahnen konnte, worum es ging, aber wir lachten alle und es wurde ein sehr schöner Abend. Karl sah mich bei der Begrüßung innig an. Fast hätte ich dem Blick nicht standhalten können. Doch ich vermochte es und sah ihm fest in die Augen.
    Er drückte meine Hand.
    »Ich freue mich so, dich wiederzusehen.«
    Zum ersten Mal war ich im ›Italienischen Dörfchen‹. Die Bedienung nahm unsere Mäntel und hängte sie auf. Ebenso übernahm sie die Schildmützen der Leutnants, die sie heute trugen. Zunächst bewunderte ich die wunderbare Decke in dem Restaurant. Wir saßen an der Elbseite und konnten auf das Wasser sehen. Karl saß neben mir, Gisela und Laurenz uns gegenüber. Ich trug einen schwarzen Rock. Aus schwarzen Pailletten hatte ich mir zwei Taschen gebastelt, die ich oberhalb von zwei aufspringenden Falten angebracht hatte. Dazu trug ich eine hellgrüne Bluse aus reiner Seide. Diese Bluse entstand aus einem Sommerkleid meiner Großmutter aus ihren Jugendjahren. Ich war sehr stolz darauf. Das Essen war gut. Auf Sondermarken für Verwundete bekamen wir Schweinebraten. Es gab Rotkraut, Klöße und dünnes Bier. Für mich war dieser Abend einfach unbeschreiblich schön. Zum ersten Mal fühlte ich mich so richtig gelöst. Es gab kein Auf-die-Uhr-Sehen, um nicht zu spät nach Hause zu kommen. Es gab hinterher keine Fragen: ›Wo warst du, hast du dieses oder jenes bedacht?‹ Einfach spontan den Moment leben, in dem ich mich gerade befand. Dabei wünschte ich mir mehr als alles andere, dieser Abend möge niemals enden. Mögen noch viele solcher Momente für mich bestimmt sein. Ich würde selbst alles dazu beitragen, um auch zu zeigen, wie viel mir solche Augenblicke bedeuteten. Wir unterhielten uns sehr angeregt, sprachen aber auch sehr leise darüber, dass die Situation für uns noch schlechter würde, und die Männer überlegten, wo man sie nach

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