Als es noch Menschen gab - Roman - Meisterwerke der Science Fiction
Platz freigehalten wird.«
»Ich glaube nicht, dass ich das jemals tun werde«, sagte er.
»Gut. Dann lebe wohl, Jon.«
»Einen Augenblick, Sara. Du hast kein Wort von unserem Sohn gesagt. Ich habe ihn früher oft gesehen, aber …«
Sie lachte. »Tom ist ja fast schon erwachsen, Jon. Merkwürdig, er …«
»Ich habe ihn so lange nicht mehr gesehen«, wiederholte Webster.
»Kein Wunder. Er ist fast nie in der Stadt. Sein Hobby. Das hat er wohl von dir. Pionierdrang, in gewisser Weise. Ich weiß nicht, wie man es sonst nennen soll.«
»Du meinst eine neue Forschungstätigkeit? Etwas Ungewöhnliches?«
»Ungewöhnlich, ja, aber keine Forschung. Er geht einfach in die Wälder und lebt dort. Mit ein paar Freunden. Ein Säckchen Salz, Pfeile und Bogen – ja, es ist eigenartig, aber es macht ihm sehr viel Freude. Angeblich lernt er viel. Und er sieht gesund aus. Wie ein Wolf. Stark und schlank und ein besonderer Blick.« Sara drehte sich um.
»Ich bringe dich zur Tür«, sagte Webster.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Lieber nicht.«
»Du hast deinen Becher vergessen.«
»Behalte ihn, Jon. Ich brauche ihn nicht mehr.«
Webster setzte die Denkkappe auf und drückte die Aufnahmetaste des Schreibgeräts auf seinem Arbeitstisch.
Kapitel sechsundzwanzig, dachte er. Das Schreibgerät rasselte und kicherte und schrieb: Kapitel XXVI.
Webster sammelte sich kurz und ordnete seine Gedanken. Das Schreibgerät meckerte und gurgelte, dann begann es summend seine Arbeit zu verrichten:
Die Maschinen liefen weiter, gepflegt von den Ro botern, wie vorher auch, und sie lieferten all das, was sie auch vorher geliefert hatten.
Und die Roboter arbeiteten, wie es ihr Recht war, ihr Recht und ihre Pflicht, taten die Dinge, für die sie da waren.
Die Maschinen liefen, die Roboter arbeiteten wei ter, und sie produzierten alles im Überfluss, als gebe es Menschen, die ihn benötigten, als gebe es Millionen Menschen statt knapp fünftausend.
Und die fünftausend Menschen, die zurückge blieben oder zurückgelassen worden waren, sahen sich plötzlich als Herren einer Welt, die auf Millio nen eingerichtet gewesen war, sahen sich im Besitz eines Überflusses, der Monate zuvor noch für Milli onen gereicht hätte.
Es gab keine Regierung, aber man brauchte sie auch nicht; denn alle Verbrechen und Straftaten, gegen die sie eingeschritten war, wurden durch den Überfluss aufgehoben, der den fünftausend in den Schoß fiel. Niemand stiehlt, wenn er sich nehmen kann, was ihm gefällt. Niemand streitet mit seinem Nachbarn über Grundstücksrechte, wenn ihm die ganze Welt zur Verfügung steht. Besitzrecht wurde beinahe über Nacht zu einem Wort ohne Bedeutung in einer Welt, in der es für alle mehr als genug gab.
Gewaltverbrechen waren vor langer Zeit aus der menschlichen Gesellschaft verbannt worden, und als der wirtschaftliche Druck so nachließ, dass Besitzrecht keine Rolle mehr spielte, bedurfte es auch keiner Regierung mehr. Auch nicht der vielen anderen gewohnheitsmäßigen Einschränkungen, die man vom Beginn des Handelswesens an mit sich herumgeschleppt hatte. Es bedurfte keiner Währung, denn man konnte sich nehmen, was einem gefiel.
Von wirtschaftlichem Druck entlastet, verringerte sich auch der gesellschaftliche Druck. Es war nicht mehr nötig, sich anzupassen oder Bräuche einzu halten, etwas, das in der Welt vor Jupter einmal eine entscheidende Rolle gespielt hatte.
Die Religion, die seit Jahrhunderten immer mehr an Boden verloren hatte, verschwand bald ganz. Die Familie, zusammengehalten durch Tradition und die wirtschaftliche Notwendigkeit eines Ernährers und Beschützers, fiel auseinander. Frauen und Män ner lebten zusammen, wie es ihnen gefiel, trennten sich, wann sie es für richtig hielten, denn es gab keinen wirtschaftlichen, keinen gesellschaftlichen Grund mehr dafür, sich anders zu verhalten.
Webster nahm die Kappe ab und las die letzte Zeile noch einmal.
Da, dachte er, genau da liegt das Übel. Wenn die Familien, wenn Sara und ich zusammengeblieben wären …
Er rieb die Warzen auf dem Handrücken und fragte sich: Ob Tom ihren oder meinen Namen trägt? Gewöhnlich nehmen sie den Namen der Mutter an. Ich weiß, dass ich es am Anfang auch so gehalten habe, bis meine Mutter mich bat, ihn zu wechseln. Es würde meinem Vater Freude machen, meinte sie, und sie störe es nicht. Sie sagte, er sei stolz auf seinen Namen, und ich sei sein einziges Kind. Sie hatte noch andere.
Wenn wir uns nur nicht getrennt
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