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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Winkelmann
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sie Bilder von Schweinen, Ferkeln und Ställen vor Augen hatte, bildete dies keine Überleitung zu Menschen oder Räumlichkeiten. „Wissen Sie sonst noch was?“
    Herr Walther schürzte die Lippen. „Eigentlich nicht. Ihre Familie ist polizeilich noch nie in Erscheinung getreten. Deshalb hat der Computer kaum was rausgerückt.“
    „Und … und jetzt?“, fragte Livia hilflos.
    Der Kommissar zuckte die Achseln. „Jetzt müssen Sie entscheiden, wer Sie sein möchten …“
    Livias Augen weiteten sich. „Wie bitte?“
    Herr Walther ließ sich viel Zeit mit der Antwort. Erst einmal kramte er ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und putzte seine Nase. Dann vertiefte er sich noch einmal in seinen Zettel. Als er schließlich wieder aufblickte, sagte er ernst: „Es gibt einen Grund, weshalb ich Ihre Familie noch nicht kontaktiert habe, Frau Cordes.“
    Beim Klang ihres richtigen Namens zuckte Livia ein wenig zusammen.
    „Der Grund ist“, fuhr ihr Gegenüber fort, „dass ich Sie zuerst fragen wollte, ob Sie das wirklich möchten.“
    „Ob ich das möchte?“, wiederholte Livia. „Ich glaub, ich verstehe nicht. Hab ich denn eine Wahl?“
    „Von mir aus schon“, nickte der Kommissar. „Sie … Sie haben viel durchgemacht. Man hat Ihnen Ihre Identität gestohlen … Da ist es doch nur recht und billig, wenn Sie endlich mal selbst entscheiden, wer Sie sein möchten …“
    Livia fröstelte und versuchte, mit den Händen ihre Oberarme zu wärmen. Leider vergeblich. Die Kälte in ihr war einfach zu groß. „W-wer ich sein möchte?“
    „Außer mir kennt niemand die Wahrheit. Ihr Mann hat Ihnen sowieso kein Wort geglaubt. Enno Krantz ist tot. Und Ihre Familie … Nach so langer Zeit hat sie die Hoffnung, Sie noch einmal lebend wiederzusehen, sicher längst aufgegeben …“
    Livia schluckte, als hätte sie ein ganzes Abendessen in den Magen zu befördern. „Aber das ist … ich … oh …“ Geraume Zeit saß Livia einfach nur so da und versuchte zu begreifen, was das alles bedeutete. Dieses Angebot war … irgendwie ungeheuerlich und doch … Hatte sie nicht schon selbst darüber nachgedacht, alles beim Alten zu lassen? Wollte sie überhaupt eine neue Identität? Aber hing sie denn an ihrer alten? War sie glücklich hier?
    Und dann ging plötzlich die Tür auf und Arvin spazierte herein. Ausgerechnet Arvin, die Personifikation dieses Problems, der Grund all ihrer Zweifel … „Sie schon wieder“, begrüßte er Kommissar Walther und baute sich breitbeinig vor ihm auf. Livia begrüßte er überhaupt nicht.
    „Guten Abend, Herr Scholl“, seufzte Kommissar Walther und erhob sich. Dann streckte er Arvin höflich die Hand entgegen.
    Arvin zögerte kurz, schüttelte sie dann aber doch. Allerdings setzte er sich nicht, sondern blieb abwartend vor dem Kommissar stehen. „Was ist der Grund Ihres Besuches?“
    Kommissar Walther zögerte und sah fragend zu Livia herüber.
    Livia sah Arvin an, spürte, dass er in diesem Moment nicht nur gegen den Kommissar, sondern auch gegen sie kämpfte, und fühlte einen heftigen Schmerz in sich aufsteigen. Gleichzeitig wusste sie, wie sie die Frage des Kommissars beantworten musste. Aber sie wusste auch, dass diese Antwort anders ausgefallen wäre, wenn er ihr nur den kleinen Finger entgegengestreckt hätte … „Er ist gekommen“, begann sie und fuhr erst fort, als sie Arvins Aufmerksamkeit hatte, „er ist gekommen, um zu bestätigen, dass ich Angelika Cordes bin.“ Der Satz hatte einen nüchternen Klang. Aber in Wirklichkeit war er alles andere als das! Sie sagte es nicht, weil es die Wahrheit war. Sie sagte es, damit er darauf reagierte! Damit er sich dagegen wehrte! Damit er ihr sagte, dass sie Livia Scholl, seine Frau, bleiben sollte!
    Für den Bruchteil einer Sekunde huschte so etwas wie Fassungslosigkeit über Arvins Gesicht. Dann ruckte sein Kopf zu Herrn Walther herüber und er bombardierte ihn lautlos mit Fragen.
    „Vor mehr als zwei Jahren ist eine junge Frau namens Angelika Cordes spurlos verschwunden.“ Der Kommissar kramte erneut in seiner Hosentasche herum, zog ein kleines Foto daraus hervor und reichte es Livia.
    Diese starrte es eine halbe Ewigkeit an, ohne in irgendeiner Form darauf zu reagieren.
    „Kann ich auch mal?“, fragte Arvin.
    Livia rührte sich nicht. Was sie dort sah, waren ihre Augen. Es waren ihre Augen! Nicht ihre Nase, nicht ihr Mund, aber ihre Augen!
    Schließlich zog Arvin das Bild aus ihren verkrampften Händen und betrachtete es nun

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