Als ich lernte zu fliegen
idiotisch gewesen. Aber von einem selbstzerstörerischen Drang gesteuert hatte sie die Gelegenheit ergriffen, einfach weil sie sich bot. »Eigentlich sollte man mich einsperren, zu meiner eigenen Sicherheit«, sagt sie laut. Verdammte Scheiße, sie muss aufhören, wie eine Geistesgestörte Selbstgespräche zu führen, sonst landet sie wirklich bald in der Gummizelle.
Sie gießt sich aus der Kanne noch einmal Kaffee nach, der nur noch lauwarm ist, obwohl sie ihn erst vor ein paar Minuten aufgebrüht hat; sie merkt, dass ihr Atem Wölkchen bildet. In der Wohnung ist es viel, viel kälter als sonst. Also zieht sie sich einen übergroßen Zopfmusterpulli über, der ihr mollig warm bis zur Mitte der Oberschenkel reicht, und ein Paar Socken, dann sieht sie nach dem Boiler und stellt seufzend fest, dass er schon wieder den Geist aufgegeben hat. Asif hatte ihr letztes Jahr zu einer Heizkesselversicherung geraten, und sie hatte nur gelacht, weil sie glaubte, so eine Versicherung hätte er sich gerade ausgedacht; die Vorstellung, dass man sich gegen einen Zusammenbruch der Heizung versichern konnte, erschien ihr lächerlich, eine Erfindung für gut situierte Mittelständler, die sonst keine Sorgen haben, wie Gourmets, die ihre Zunge gegen Verbrühungen durch heiße Getränke versichern. Jetzt kommt ihr der Gedanke nicht mehr ganz so absurd vor, wieder einmal zeigt sich, dass der vernünftige, solide Asif recht gehabt hatte. Automatisch geht sie zum Kühlschrank, wo die Nummer des Reparaturservice hängt, bleibt dann aber stehen, als ihr einfällt, dass sie nicht einmal die Anfahrtspauschale bezahlen kann. Scheiße, denkt sie, und dann: Ist mir doch wurscht, ob mich wer für geistesgestört hält, und schreit laut: »Scheiße! Scheiße! Mist-Oberkacke-Scheiße!« Sie kommt sich leicht bescheuert vor, aber danach fühlt sie sich etwas besser.
Dann legt sie sich wieder ins Bett, aber es ist zu kalt zum Schlafen, und der kleine Heizlüfter, den sie für solche Notfälle gekauft hat, scheint seine ganze Energie darauf zu verwenden, statt Wärme eine Art Todesröcheln zu erzeugen. Und dauernd klingelt das Telefon. Sie zieht den Stecker aus der Dose, fühlt sich aber nicht wohl bei der Vorstellung, dass die Telefonleitung sich wie ein Wurm bis in ihre Wohnung bohrt und bei den vergeblichen Anrufen, den ungehörten, hartnäckigen Stimmen vor Spannung vibriert. Sie muss raus hier, weiß aber nicht, wohin. In der Hoffnung auf eine Idee wandert ihr Blick auf die schmutzige Straße hinaus und bleibt an ihrem zerbeulten alten Auto hängen, das in der kalten Sonne glänzt; ihr fällt ein, dass es im Wagen warm wird, wenn sie den Motor laufen lässt. Lila glaubt nicht, dass sie ungesehen bis zum Auto kommt. Aber bevor sie ihre Haut kosmetisch geglättet hat, bringt sie es nicht einmal über sich, dem Postboten aufzumachen, so unwohl fühlt sie sich mit ihrem Aussehen. Also schabt und schrubbt sie, so gut es mit dem eisigen Wasser geht, die Hautschuppen von Gesicht und Nacken und reibt sich dick mit Pflegecreme ein, bis sie fettig glänzt. Dann trägt sie auf Gesicht und Hals so viel Make-up auf, dass sie sich der Welt präsentieren kann. Sie prüft ihr Spiegelbild und ist zufrieden, dass sie aussieht wie eine ganz normale Frau, die gerade aus dem Bett gestiegen und zufällig mit einem perfekten Pfirsichteint begnadet ist. Und da sie schon so viel Aufwand betrieben hat, überlegt sie kurz, ob sie sich nicht auch noch anziehen soll, aber in der Wohnung ist es zu kalt, um die Kleider zu wechseln; Lila graut es schon beim Gedanken, nur die Socken auszuziehen. Also schleift sie in Schlafanzug und Pulli ihre Bettdecke das schäbige Treppenhaus hinunter, durch die schwere Haustür und über den Split auf dem Gehweg bis zu ihrem Auto. Sie steigt ein, lässt den Motor an, dreht die Heizung auf und lehnt sich auf dem Fahrersitz zurück, um sich die Sonne ins Gesicht scheinen zu lassen; die Windschutzscheibe verstärkt die Sonnenstrahlen wie ein Treibhaus. Im Nu ist Lila angenehm warm, und sie wünschte, sie hätte sich irgendwas zu essen mitgenommen, das sie jetzt verdrücken könnte. Wie durch Watte kommt ihr noch die Frage, warum sie überhaupt eine Wohnung mietet, wenn sie doch immer im Auto schlafen kann, dann treibt sie hinüber in einen traumlosen Schlaf.
Lila wird von einem hektischen Klopfen am Fenster geweckt. »Halt, das ist die Sache nicht wert!«, schreit eine verzweifelte, nicht ganz unbekannte Stimme.
Lila blickt im Tran
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