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Als ich lernte zu fliegen

Als ich lernte zu fliegen

Titel: Als ich lernte zu fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roopa Farooki
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nur ein Wort, aber das schien unwesentlich. Er hob den Zettel in einer Schachtel auf, zusammen mit seinen Geburtstags- und Weihnachtskarten, auf denen ebenfalls »Love, Mum« stand.
    »Lila!« Asif schreit jetzt richtig, wirft sich vergebens gegen die Tür und hämmert mit den Fäusten dagegen, dass die Nachbarn neugierig die Türen öffnen und das Geländer herunterspähen. Asif wirft sich noch einmal gegen die Tür, aber diesmal stolpert er über die Schwelle und schlägt der Länge nach in die Wohnung. Denn Lila hat aufgemacht – im Bademantel, ein Handtuch lose um den Kopf geschlungen.
    »Hast du das geübt?«, fragt sie amüsiert. Sie schließt die Tür, damit die Nachbarn nichts mehr zu gaffen haben, und hilft Asif auf.
    »Ich habe unten geklingelt. Warum hast du nicht aufgemacht?« Er verbirgt seine Erleichterung hinter Ärger.
    »Du Idiot! Kannst du dir das nicht denken?«, fragt Lila, nimmt das Handtuch vom Kopf und rubbelt ihre roten Stoppeln kräftig ab. »Ich steig doch nicht wegen jedem aus der Wanne, Freunde schauen nicht so früh vorbei, ich dachte, es wäre der Postbote oder so.« Dann sagt sie zu seiner Empörung noch: »Du hättest vorher anrufen sollen.«
    »Ich HABE angerufen!«, schnaubt Asif wütend. »Ich rufe seit zwei Wochen an. Du hast nie zurückgerufen.«
    »Ich war nicht in der Stimmung. Ich habe mich von Wes getrennt, zwischendurch mit Mikey gevögelt, die komplette Katastrophe, und meinen Job gekündigt«, erklärt Lila, nicht im Geringsten zerknirscht. »Da hatte ich keine Lust, mir von dir ›Das hab ich dir doch gleich gesagt‹ anzuhören. Du hättest den Kopf geschüttelt und mich mitleidig angesehen, weil ich mal wieder alles verkackt habe.«
    »Ach, Lila«, sagt Asif; ihr Urteil macht ihn betroffen. Ist er wirklich der Typ Großer Bruder, der Sprüche wie »Das hab ich dir doch gleich gesagt« von sich gibt? Er nimmt die Bestätigung, dass Lila wieder Single und arbeitslos ist, kommentarlos zur Kenntnis und sieht sie gleich viel sanftmütiger an.
    »Da! Jetzt machst du genau das Gesicht, von dem ich geredet habe!«, beschwert sich Lila. »Spar dir dein Mitleid, mir geht’s prima.«
    »Du tust mir nicht leid«, bestreitet Asif, »ich habe mir nur Sorgen gemacht. Es ist doch in Ordnung, wenn ich mir Sorgen mache, oder?«
    »Ach, was soll’s«, knurrt Lila. »W illst du einen Kaffee?«
    »Ja, bitte.« Asif sieht sich nach einem freien Platz um, wo er sich hinsetzen kann. Schließlich gibt er auf, lässt sich auf dem Boden nieder, lehnt sich mit dem Rücken ans Sofa und sieht zu, wie Lila die Kaffeetassen ausspült. Von hinten hat sie eine beunruhigende Ähnlichkeit mit Yasmin, wenn diese das saubere Geschirr noch einmal abspült; beide haben die gleiche zierliche Gestalt, nur hat Yasmin einen braunen Pferdeschwanz und Lila nun beerenrote, verstrubbelte Stoppeln. »Mir gefällt deine neue Frisur, sie ist wirklich eindrucksvoll«, sagt Asif höflich.
    »Heißt das, du findest sie hässlich?«, fragt Lila scharfsinnig und stellt die Kaffeetasse vor ihn auf den verblichenen, abgetretenen Teppich.
    »Ich glaube, die letzte hat mir besser gefallen«, gibt Asif zu und sagt dann aufrichtig: »Aber du weißt ja selbst, dass du immer hübsch aussiehst.« Er dankt für den Kaffee und trinkt in vorsichtigen Schlucken; Lila macht ihn immer zu stark. »Die Aufregung gerade eben im Treppenhaus war nicht meine Absicht. Ich war nur beunruhigt, nachdem ich tagelang nichts von dir gehört habe.«
    »Anscheinend bin ich plötzlich zum Gegenstand allgemeiner Besorgnis geworden«, meint Lila. »Neulich hat jemand geglaubt, ich würde mich in meinem Auto vergiften.«
    »Also darauf wäre ich nie gekommen«, sagt Asif. Fast verschmitzt fügt er hinzu: »Ich dachte gerade, der Gasherd wäre eher dein Stil. Irgendwie poetischer.«
    Lila lacht. »Für deine Verhältnisse ein ganz schön makaberer Gedanke. Aber weißt du, es ist schön, jemanden zu haben, der sich überhaupt Gedanken um mich macht. Ob ich mich im Auto oder im Herd vergasen würde, meine ich.«
    Sie sitzen eine Weile einträchtig beieinander und erzählen sich das Neueste aus ihrem Leben. Als Asif seinen Kaffee ausgetrunken hat, blickt er entschuldigend auf die Uhr. »Ich sollte jetzt lieber weg. Yasmin kommt gleich vom …«
    »… Schachclub«, fällt ihm Lila angeödet ins Wort; sie versucht, ihre Enttäuschung zu verbergen. Sie quatscht gern mit Asif und genießt es, wenn er bei ihr ist, weit weg von Yasmin. Das kommt viel zu selten vor,

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