Als ich lernte zu fliegen
zählt, als sie Wasser in die erste Tasse gießt, und setzt den Kessel bei drei ab, als die Tasse voll ist. Dann schließt sie die Augen, zählt und gießt das kochende Wasser in die zweite Tasse, setzt den Kessel wieder bei drei ab. Als sie die Augen öffnet, scheint sie verärgert, dass die zweite Tasse nicht ganz so voll ist wie die erste. »Ich muss zu langsam gegossen haben«, sagt sie zu Asif, ohne ihm diese merkwürdige Abweichung von ihrem normalen Vorgehen zu erläutern. Asif nimmt sich vor, den Regisseur anzurufen und mit ihm abzuklären, dass Yasmin in der Schachclubszene auch sicher nicht dumm dasteht, dann trägt er seine eigene Tasse Katzenpisse zum Tisch hinüber.
»Ich habe beschlossen, dass ich am Samstagvormittag nicht mehr in den Schachclub gehe«, sagt Yasmin unvermittelt.
»W irklich? Warum denn?«, fragt Asif überrascht. Normalerweise hasst Yasmin jede Änderung in ihrem geregelten Leben.
»W eil ich auch mit geschlossenen Augen Schach spielen kann«, antwortet sie nur. Asif weiß nicht, ob sie meint, dass sie Schachspielen zu einfach findet, oder dass sie tatsächlich mit geschlossenen Augen spielen kann und deshalb nicht in den Club gehen und einen Partner für ein Spiel suchen muss, das sie genauso gut im Kopf spielen kann. »Ich würde stattdessen am Samstagvormittag gern etwas anderes spielen. Etwas Neues, was ich noch nie gemacht habe, zum Beispiel Tennis. Hilfst du mir, etwas Passendes zu finden?«
»Klar!« Asif kann über die Bitte nur staunen. »Du kannst auf den Plätzen im Park spielen, wenn du schon einen Partner hast, oder du kannst in einen Club eintreten, dann bekommst du einen anderen Anfänger zugeteilt.«
»Super, danke«, erwidert Yasmin mechanisch. »Ich mache gerade eine Liste von anderen Dingen, die ich tun möchte, wenn meine Prüfungen vorbei sind. Eine Art Projekt. Hilfst du mir bei denen auch?« Sie sieht ihm in die Augen, Mississippi eins, Mississippi zwei, was sie viel Anstrengung zu kosten scheint, denn ihr Blick gleitet durch ihn hindurch, bevor sie ihn wieder auf ihre Teetasse senkt.
»Selbstverständlich«, beginnt Asif, aber Yasmin hat vergessen, auf seine Antwort zu warten, und sich bereits abgewandt, um in ihr Zimmer hochzugehen.
Biologie für Teenager
Asif saß inmitten einer lockeren Gruppe von Mitschülern auf dem Schulhof; er war gern in einer Gruppe, dort fühlte er sich sicher. Sie hatten gerade die Abschlussprüfung der Mittelstufe in Biologie geschrieben und gingen wie üblich die Fragen noch einmal durch. »Und was hast du da geschrieben?«, fragte Owen besorgt. Eben hatten sie schon eine andere Frage in allen ermüdenden Details durchgekaut.
»V entrikel«, antwortete Asif.
»V erdammter Mist. Ich hab Aorta geschrieben«, brummte Owen und strich sich die Haare aus den Augen. »W usst ich’s doch, dass ich länger für das verdammte Herz hätte lernen sollen.« Er sah seine Lernkarten durch. »W as hast du für die Knochen im Mittelohr?«
»Hammer, Amboss, Steigbügel«, antwortete Asif widerstrebend und versuchte, seine Verlegenheit zu verbergen.
»Das hab ich mir nicht mal notiert. Du liebe Zeit, du bist vielleicht ein Streber, Asif«, sagte Owen.
»Ich hab nicht gesagt, dass meine Antwort stimmt«, wandte Asif ein.
»Lügner«, sagte Bob, ein drahtiger Kerl mit Brille und leicht fettigen Haaren. »Du hast immer recht, du Streberleiche.«
»Lieber ’ne Streberleiche als ein Star-Trek-Fan«, ging Asif kühn zum Angriff über.
»Lieber ein Star-Trek-Fan als ein Nerd«, konterte Bob.
»Hallo, Brillenschlange, ein Star-Trek-Fan IST ein Nerd«, warf Owen ein. »Gut, und was ist mit dieser Frage zur DNS ?«
»Owen, du nervst«, gähnte Bob. »Noch zwei Prüfungen, dann sind wir raus aus diesem Scheißladen! Dann verbrenn ich meine Schuluniform und verstreu die Asche in alle Winde.«
»Die weißen Hemden kannst du behalten«, sagte Asif. »Die brauchst du auch in der Oberstufe.«
»Ich geh doch nicht in die Oberstufe«, sagte Bob. »Lass dich von der Brille nicht täuschen, ich bin dumm wie Brot.«
»Nicht so dumm wie ich«, sagte Owen. »Scheiß-Ventrikel! Wieso ist mir das nicht eingefallen?«
»Ist doch nur ein Punkt«, beruhigte ihn Asif.
»W eiß ich«, brummte Owen. »Ist das da drüben nicht deine Schwester?« Asif schaute über den Schulhof, wo sich zwei größere Jungs aus seinem Jahrgang an ein jüngeres Mädchen heranmachten. Als er Lila erkannte, sprang er automatisch auf und marschierte hinüber.
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