Als ich lernte zu fliegen
anscheinend nur, wenn er sich Sorgen macht, sie könnte den Kopf in den Ofen gesteckt haben. Er gehört nun Yasmin, wie vorher Mum.
»Komm doch mit, wir könnten zusammen mittagessen oder so?«, fragt Asif, dem es genauso leidtut, dass er sie allein lassen muss.
»W as, mit dir und …« Lila verkneift sich gerade noch das »v erdammte Rain Girl« und sagt stattdessen »Yas?«. Sie ist mächtig stolz auf ihre Selbstbeherrschung, wäre sie Amerikanerin, würde sie sich zu diesem Zeichen persönlichen Wachstums gratulieren. »Guter Witz. Außerdem hab ich ’ne Art Date.«
»So bald nach Wes? Und diesem Mikey?«, fragt Asif überrascht. »Hältst du das für eine gute Idee?«
»Ich habe gesagt, ’ne Art Date, das heißt, nichts Ernstes. Und an deiner Stelle würde ich mich lieber um mein eigenes Liebesleben kümmern. Ich glaube, du bist seit dem Antritt der letzten Regierung nicht mehr flachgelegt worden! Du solltest öfter mal ausgehen«, empfiehlt Lila.
»Da kannst du recht haben«, stimmt Asif zu. Seit er aus Cambridge weg ist, hatte er keine ernsthafte Beziehung mehr; fast ein Jahr lang war er mit Faith zusammen gewesen, aber ein paar Monate nach seiner Rückkehr nach London hatte sie mit ihm Schluss gemacht, was er ihr nicht übel nahm; sie hatten es kaum noch geschafft, sich zu sehen. Seitdem hatte er sich ein paar Mal verabredet, aber nichts war so vielversprechend, dass er mehr Zeit darin investieren wollte, was stets auch Yasmins Routine gefährdet hätte. Sein letzter Sex war ein außerordentlich unangenehmer One-Night-Stand auf der Weihnachtsfeier gewesen, mit einer der Assistentinnen aus der Wirtschaftsprüfung. Sie waren beide betrunken und bumsten unter dem Konferenztisch in einem der Sitzungsräume im dritten Stock; die Initiative war von ihr ausgegangen, aber am nächsten Tag hatte sie ihn behandelt wie Luft. Es stellte sich heraus, dass sie schon einen Freund hatte und offensichtlich nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte.
»Dabei arbeitest du mit sechshundert Leuten unter einem Dach«, fährt Lila fort. »Da muss es doch ein paar attraktive Frauen geben.«
Asif zuckt verlegen mit den Achseln. »V ermutlich«, sagt er. Plötzlich kann er nur noch an eine denken. Er erinnert sich an Mei Lins festes Kinn, ihre schmalen, lächelnden Augen, die Haare über der glatten Wange, ihren Elfenbeinteint. Eine ältere, verheiratete Frau mit einem Baby – so weit außerhalb seiner Liga, dass er nicht einmal Schuldgefühle hat, wenn er an sie denkt; genauso träumt man von Filmstars. Er gibt Lila einen Abschiedskuss und nimmt ihr das Versprechen ab, sich bei ihm zu melden, wenn sie einen Zuschuss zur Miete braucht. Ihm ist nicht entgangen, dass sie nicht gefragt hat, wie es mit dem Dokumentarfilm läuft.
Asif kommt kurz vor Yasmin zurück. Sie scheint noch in sich gekehrter als sonst, geht direkt in die Küche, ohne ihn zu beachten, und setzt Wasser für ihren üblichen Kräutertee auf, den sie am Wochenende vormittags trinkt.
Asif folgt ihr. »W ie war’s im Schachclub?«, fragt er. Er sieht, dass sie zwei Tassen aus dem Schrank genommen hat, aus alter Gewohnheit, da Mum ihr beigebracht hat, stets Tee für alle im Haus zu machen. Trotzdem rührt es ihn immer noch, dass sie ihn in ihr Ritual einschließt, auch wenn er ihren Kamillentee richtig verabscheut; er erinnert ihn immer an verdünnte Katzenpisse.
»Gut«, sagt Yasmin wortkarg, wirkt dabei jedoch eher beschäftigt als unhöflich. Sie hängt zwei Teebeutel in die Tassen und beobachtet aufmerksam den Wasserkessel, wie er rumorend und zischend zum Leben erwacht.
»Hast du alle deine Spiele gewonnen?«, hakt Asif beharrlich nach; dabei vermeidet er jeden Blick auf Mums Foto an der Kühlschranktür.
»Ja, ich habe alle meine Spiele gewonnen. Eines habe ich fast verloren, weil ein Handy zu klingeln anfing, mit einem wirklich aufdringlichen Klingelton, und gar nicht mehr aufhören wollte. Ich musste mir die Ohren zuhalten, die Augen schließen und summen, damit ich mich auf meinen nächsten Zug konzentrieren konnte. Manchmal sehe ich das Schachbrett mit geschlossenen Augen besser.«
»Aha«, sagt Asif. Als er sich Yasmin summend, mit zugestopften Ohren und zugekniffenen Augen mitten unter den zweifellos kichernden Schachspielern vorstellt, muss er sich beherrschen, um sich nicht zu schämen. »W ar das Filmteam auch da?«, fragt er beiläufig.
»Ja, ich habe ihnen den Rücken zugekehrt, damit sie mich nicht ablenken«, erklärt Yasmin. Sie
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