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Als ich lernte zu fliegen

Als ich lernte zu fliegen

Titel: Als ich lernte zu fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roopa Farooki
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erleichtert, als sein Handy auf dem Boden neben der Ruderbank zu vibrieren beginnt. »Mist«, flucht er, als er die Nachricht liest, »mein Meeting ist vorverlegt worden, ich muss gleich unter die Dusche.« In seiner Stimme klingt allerdings nicht das leiseste Bedauern durch; man könnte sogar vermuten, dass er lügt, wenn er sich nicht so offensichtlich freuen würde, dass er so wichtig und gefragt ist. »W ir müssen bald mal zusammen mittagessen«, sagt er ebenso steif wie verlogen und verabschiedet Mei Lin mit einem derart jähen Küsschen, dass man meinen könnte, er wolle sie schleunigst loswerden.
    »Na toll«, sagt Mei Lin tonlos in den wichtigtuerischen Luftzug hinein, der ihm nachweht, als er auf seinen braunen Beinen durch die Umkleidetür verschwindet. Sie steigt auf ihr übliches Ergometer und beginnt grimmig zu strampeln. »Blöder Hund, blöder!«, knurrt sie zu Asif hinüber, der vergessen hat, sich an seinen iPod anzustöpseln, und nun schlecht so tun kann, als hätte er nicht zugehört.
    »W ie bitte?«, fragt Asif höflich, bemüht, nicht darüber zu jubeln, wie schnell Rupert vom Podest gestürzt und bei ihr in Ungnade gefallen ist, trotz knackiger Tafelbergbräune und Profi-Sportklamotten. Genauso bemüht er sich, nicht allzu dankbar dafür zu sein, dass Mei Lin ihn in dem ansonsten leeren Raum zum Gesprächspartner auserkoren hat.
    »Rupe ist vielleicht ein Volltrottel! Sobald er hört, dass Stephen und ich nicht mehr zusammen sind, kann er sich nicht schnell genug aus dem Staub machen. Er hat keine Ahnung, warum wir uns getrennt haben, und es ist ihm auch total egal. Er weiß nur, dass er auf Stephens Seite steht. Männer sind doch alle gleich.« Mit einem frustrierten, zornigen Aufschrei steigt sie ab und verpasst dem Gerät einen Tritt.
    »Nicht alle«, widerspricht Asif. Erschüttert sieht er Mei Lin vor seinen Augen von ihrem Podest stürzen, ein ebenso plötzlicher wie tiefer Fall. Sie ist keine unberührbare Göttin mehr, keine glücklich verheiratete Frau, in die schützende Blase häuslichen Glücks gehüllt. Sie ist ein ganz gewöhnlicher, verstörter Mensch, der ein bisschen Mitgefühl nötig hat. Asif schämt sich, dass er sie auf dieses Podest gestellt hat, wo er ihre Probleme, ihre Schwächen und ihre Verletzlichkeit nicht sehen konnte. Er hat angenommen, dass sie wie seine Mutter aus Stahl und Granit gemacht ist, aber jetzt sieht er, dass sie wie alle anderen aus Fleisch, Blut und angespannten Nerven besteht. Er erkennt auch, dass er ihr helfen kann und seine Hilfe zumindest anbieten sollte, als schwache Wiedergutmachung, dass er sie so falsch eingeschätzt hat, dass er sie auf eine unschmeichelhafte Art, die sie nie begreifen würde, zum Objekt degradiert hat. Wenn er etwas kann, dann trösten, das ist ihm schließlich von klein auf vertraut. »Ich wusste nicht, dass Sie eine Trennung hinter sich haben. Das tut mir leid. Das ist bestimmt nicht immer leicht für Sie ganz allein mit Melody«, sagt er freundlich.
    Mei Lin tritt wieder gegen das Ergometer. »Mit Melody komme ich klar. Sie ist das einzig Gute, das von dieser verdammten Beziehung übrig ist. Schnelle Heirat, schnelle Scheidung – verdammt gut, dass ich ihn bald los bin. Was ich nicht ausstehen kann, ist das Herumtaktieren, wer-sagt-was-zu-wem, wer-hat-wem-was-angetan-und-warum, und das Aufteilen der ganzen Freunde. Ach, von Aufteilen kann nicht die Rede sein, Stephen kriegt sie sowieso alle. Die Kerle schlagen ihm auf die Schulter, und die Frauen verkuppeln ihn mit ihren Freundinnen oder werfen selbst die Angel nach ihm aus.« Noch einmal schreit sie frustriert auf und boxt gegen die Maschine. »Aua«, entfährt es ihr, was nun gar nicht zu ihrem Wutausbruch passt; sie saugt an ihren geprellten Fingerknöcheln.
    »Möchten Sie vielleicht einen Kaffee trinken, oben in der Cafeteria?«, bietet Asif ihr an. Mei Lin sieht so geladen aus, als wolle sie gleich noch einmal auf das Ergometer einschlagen; da fügt er vorsichtig, mit einem Anflug von Humor hinzu: »V ielleicht einen koffeinfreien?«
    Mei Lin lächelt, lacht beinahe. »Okay, vielleicht beruhige ich mich dann.« Sie nimmt ihre Tasche und fragt: »Sind Sie sicher? Ich möchte Sie nicht von Ihrem Training abhalten.«
    »Schon in Ordnung. Ich bin sowieso nicht gern allein hier unten. In Kellerräumen habe ich immer Angst, dass oben an der Treppe jemand still und heimlich die Tür zusperrt und ich dann für immer und ewig hier unten versauern muss.« Asif fragt sich,

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