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Als ich unsichtbar war

Als ich unsichtbar war

Titel: Als ich unsichtbar war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pistorius Martin
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zu können. Ich musste erfahren, dass jene Menschen, die ihre dunkelsten Gelüste – wie flüchtig auch immer – an uns ausleben, oft nur sehr schwer als solche ausgemacht werden können. Es sind keine Schreckgespenster; es sind ganz gewöhnliche, unauffällige Männer oder Frauen. Vielleicht sind sie sogar völlig unschuldig, bis die Chance, ein anscheinend wehrloses Geschöpf benutzen zu können, sie ermutigt, eine Grenze zu überschreiten, die sie sonst vielleicht niemals zu übertreten gewagt hätten.
    Manchmal war es lediglich ein Gefühl, als sei jemand einen Schritt zu weit gegangen, das mich unsicher machte. Ich konnte es nicht genau erklären, denn obwohl ich ein junger Mann war, gab es so viel, das ich nicht verstand.
    »Küss, küss!«, wisperte eine Frau mit belegter Stimme, sodass niemand sie hören konnte, während sie sich zu mir hinabbeugte. Sie klang kokett, wie ein Mädchen, das einen unwilligen Freier dazu verlockt, sie zu umarmen.
    Bei anderer Gelegenheit kam die Mutter eines Kindes, das ich kannte, in einen Raum, in dem ich von der Hüfte abwärts nackt lag und darauf wartete, angezogen zu werden.
    »Was haben wir denn da?«, sagte sie und streichelte sanft meinen Penis.
    Der Vorfall war so schnell beendet, wie er begonnen hatte, als eine Pflegerin den Raum betrat. Doch er verwirrte mich, machte mich unsicher, und ich wusste nicht, was ich mit den aufgewühlten Gefühlen anfangen sollte, die mich erfasst hatten.
    Allerdings lief es nicht immer so ab. Manchmal war nur allzu deutlich, was geschah, und Furcht ergriff mich, wenn ich erkannte, dass ich auf eine Weise attackiert wurde, gegen die ich mich nicht wehren konnte.
    »Schau dich an«, sagte einmal eine Frau, während sie mich badete.
    Am nächsten Tag beobachtete ich, wie sie sich im leeren Raum umblickte, ihr Kleid hob, meine Beine spreizte und sich an mir rieb. Ich lag unbeweglich, mit starrem Blick, blind, bis ich spürte, dass sich ihr Gewicht von mir löste. Ich blieb mit der nagenden Furcht zurück, sie könne mich noch einmal berühren, doch sie tat es nicht.
    Was war ich für diese Frauen? Eine lange zurückgehaltene und vergrabene perverse Fantasie oder ein Moment der Verrücktheit? Ich kann es nicht sagen. Doch von einer anderen Frau, die mich jahrelang missbrauchte, weiß ich, dass ich nie mehr als ein Objekt war, das sie benutzen konnte, wenn ihr danach war, um es danach wieder fallen zu lassen.
    Verborgenheit war der Nährboden für ihr Verhalten: Sie fand immer eine Möglichkeit für uns, alleine zu sein. Bei ihrer ersten Berührung wusste ich schon mit absoluter Sicherheit, was sie vorhatte, als ich spürte, wie ihre Hand vorsichtig an meine Genitalien in der Hose stieß. Es war, als sei sie noch ängstlich, unsicher, und der Zwischenfall war kurz. Beim nächsten Mal war sie kühner, als ihre Hände auf meinem Penis verweilten. Bald schon wurde sie mutiger, als habe sie entdeckt, dass das Öffnen der Tür zu dieser Finsternis nicht so furchterregend war, wie sie vermutet hatte.
    Manchmal schlang sie ihre Beine um meinen Körper und stieß härter und härter gegen mich, bis ich sie stöhnen hörte. Oder sie stellte sich hinter mich, während ich auf dem Rücken lag, und dann zog sie mir die Arme über den Kopf, sodass meine Hände auf ihren Oberschenkeln ruhten. Meine Finger zitterten unkontrollierbar, wie sie genau wusste, und ich hörte ihren Atem stoßweise kommen, als sie meine Finger an ihre Scheide drückte.
    Meistens schwieg sie, wenn sie sich an mir befriedigte. Zuweilen dauerte es endlos lange, dass sie sich an mich presste, sich an mir rieb und mit ihrem Körper gegen mich stieß, wobei sie ihren Leib im Takt mit meinem ruckweise bewegte, bis sie schließlich zur Ruhe kam. Doch jedes Mal versuchte ich, mich in der Stille zu verlieren, indem ich mich tief in meinem Inneren einschloss. Ich spürte, wie meine Seele gefror. Erst später überkamen mich Schamgefühle.
    Wenn sie überhaupt mit mir sprach, war es, als rede ein kleines Kind mit seiner Puppe, von der es weiß, dass sie nicht wirklich lebt.
    »Lass uns zappeln«, flüsterte sie einmal, als sie mich aus dem Rollstuhl zog.
    Wofür sie immer sorgte, war die Gewissheit, dass ich sie nicht sehen konnte.
    »Du sollst doch nicht gucken«, sagte sie, während sie meinen Kopf von sich wegdrehte. Doch es war nicht ich, zu dem sie sprach: Sie redete mit sich selbst.
    Es passierte nicht immer. Manchmal vergingen Wochen oder Monate, bevor sie mich wieder berührte, und

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