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Als ich vom Himmel fiel

Als ich vom Himmel fiel

Titel: Als ich vom Himmel fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Koepcke
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Und dann kam mein Vater zurück und berichtete: »Ich habe den richtigen Ort gefunden. Ich hab ihm sogar schon einen Namen gegeben.«
    »Und wie heißt er?«, wollte meine Mutter wissen.
    »Panguana. Wie findest du das?«
    Natürlich war meine Mutter begeistert. Sie löcherte meinen Vater mit Fragen. Wo genau der Ort denn läge. In welchem Zustand die Hütten seien. Welche Tierarten er gesehen habe. Schnell waren die beiden in ein lebhaftes Gespräch vertieft. Ich seufzte. Sie waren sich mal wieder einig, wie immer. Nur ich machte mir Sorgen. Einsam war der Ort, so viel hatte ich schon begriffen. Und es würde nochmals mehrere Tage dauern, bis wir endlich dort ankämen. Ich versuchte mir auszurechnen, wie viele Tagesreisen mich dann von Lima trennen würden. Damals konnte ich mir noch nicht vorstellen, dass ich diese Reise in all den Jahren so viele Male unternehmen würde.
    Bald brachen wir auf. Drei Tage dauerte die Fahrt auf dem Río Pachitea, eine Nacht schliefen wir auf einer Sandbank und die zweite im Boot. Es gab mehrere Stromschnellen, und eine hätte uns kurz vor unserem Ziel fast kentern lassen. Endlich erreichten wir die Mündung des Yuyapichis, wo wir bei freundlichen Viehzüchtern, den Großeltern von Moro, übernachten durften. Als wir am anderen Tag nach einem schweißtreibenden Fußmarsch durch dichten Primärwald endlich bei den verfallenen Hütten ankamen, da schlug meine Niedergeschlagenheit sofort in Begeisterung um! Panguana war überhaupt nicht finster! Es war wunderschön, eine Idylle am Fluss mit flammendrot blühenden Bäumen, Mango-, Guaven- und Zitrusfrüchten, und über allem ragte ein herrlicher 5 0 Meter hoher Lupuna-Baum, der heute noch das Wahrzeichen der Forschungsstation ist. Von Anfang an gefiel es mir richtig gut in Panguana. Gleich am ersten Tag lernte ich Moro kennen. Ich glaube, er war ziemlich überrascht über diese ungeheuren Mengen an Kisten und Koffern, die wir dabeihatten. Es dauerte Monate, bis wir nach und nach alles aus Tournavista nachholen konnten. Nun erwiesen sich die akribischen Listen als Segen, und als wir auspackten, stellte sich heraus, dass wir gerade das Nötigste an Kleidung dabeihatten, dafür umso mehr an Ausrüstung für die Forschung. Moro erzählte mir später, dass die Leute in der Gegend schon ein bisschen befremdet waren, dass da ein paar Gringos auftauchen, um einfach nur den Wald zu erforschen. Auch er war anfangs skeptisch. Doch nachdem ihm meine Mutter ihre Bücher und Zeichnungen gezeigt und ihm die wissenschaftliche Bedeutung des Waldes erklärt hatte, war er Feuer und Flamme. Moro erzählte mir später immer wieder, wie ihn besonders das Wissen meines Vaters beeindruckte.
    »Pfiff irgendwo ein Vogel«, sagte er, »wusste er besser als wir Einheimischen, zu welcher Art er gehörte.« Auch die Disziplin meines Vaters beeindruckte ihn sehr.
    »Wenn er sagte, er ist um acht Uhr morgens unten am Fluss, war er um acht Uhr dort«, betonte Moro. »Nicht eine Minute früher und nicht eine Minute später. In jeder Hand trug er einen Koffer, damit er beim Gehen über sumpfige Pfade das Gleichgewicht halten konnte. Aber einmal kam er tatsächlich fünf Minuten zu spät. Das hatte es noch nie gegeben, und er entschuldigte sich sogleich dafür. ›Señor‹, fragte ich, ›was ist passiert?‹, denn er kam nur mit einem Gummistiefel daher. Es hatte heftig geregnet, der Fluss führte viel Wasser, und da war ihm ein Stiefel im schlammigen Flussbett stecken geblieben. Das hatte ihn nicht einkalkulierte Zeit gekostet. Der Stiefel war ihm wichtig. Zum Glück konnte er später während der Trockenzeit gerettet werden.«
    Wir lachen auch heute noch gerne über diese Anekdote.
    Neben Moro gab es noch andere Einheimische und auch Deutsche, die uns halfen. Christian Stapelfeld aus Tournavista und Lionel Díaz organisierten immer wieder ein Boot für uns und halfen, nach und nach unseren Hausstand nach Panguana zu holen. Auch Nicolás Lukasevich Lozano, genannt Cuto, dessen Mutter aus Iquitos kam und dessen Vater Russe war, hatte große Motorboote, die auf dem Fluss verkehrten. Er lebt noch heute in Puerto Inca und transportierte damals unter anderem die Post. Meine Mutter fuhr häufig mit ihm nach Pucallpa und zurück. Dann gab es noch Ricardo Dávila, von dem das Gerücht ging, dass er viele Frauen habe und schon Leute umgebracht hätte. Er war Goldsucher am Río Negro. Und natürlich lernten wir Großmutter Módena kennen und lieben, die Oma von Moro, Doña Josefa

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