Als ich vom Himmel fiel
Köchin und Macheteros, die uns halfen, den Weg frei zu schlagen. Einige waren vorausgeflogen und hatten bereits ein provisorisches Camp aufgeschlagen mit Moskitonetzen unter großen Plastikplanen. Mein Mann und ich erhielten ein Zweimann-Zelt etwas abseits von den anderen, was in diesem Urwaldcamp Luxus war. Die ganze Verpflegung, einschließlich des Trinkwassers, musste mitgebracht werden, denn es herrschte Trockenzeit. Mit deutscher Gründlichkeit wurde auch gleich eine Toilette ausgehoben, eine einfache Grube mit einem Donnerbalken darüber. Zu meiner Überraschung gab es hier auf dem Hügel extrem viele Schweißbienen, die zwar nicht stechen, aber zu Hunderten an einem festkleben, was sehr lästig ist; alle litten wir darunter. Das Team war beeindruckt davon, wie stoisch ich dies ertrug, aber das lag einfach daran, dass ich mich extrem darauf konzentrierte, meine Textbeiträge möglichst gut zu sprechen und sie nicht dauernd wiederholen zu müssen. Im Film gibt es einen Schwenk auf meinen Arm, wo sich diese Viecher nur so tummeln. Damals, während meines Wegs durch den Urwald, hatte ich darunter gar nicht zu leiden, unten am Bach gab es die Schweißbienen nämlich nicht.
Es war ein eigenartiger Ort, unser Camp im Dschungel. Rings um uns im Wald lagen die Teile des Flugzeugs verstreut. Zuerst waren sie überhaupt nicht zu sehen, der Urwald hatte sie sich in all den Jahren einverleibt. Doch dann, auf einmal, gaben sie sich zu erkennen, und das war jedes Mal ein äußerst erstaunlicher Anblick, vor allem, da sie immer noch in einem so guten Zustand waren.
Wir fanden Trümmer, die aussahen, als seien sie eben erst in den Urwald gefallen. Da die meisten Teile aus rostfreiem Stahl oder Aluminium bestanden, waren all die Jahre in der Feuchtigkeit des Dschungels scheinbar spurlos an ihnen vorübergegangen. Der Regenwald hatte sie vereinnahmt, überwuchert, umwachsen, in seinen Grund gezogen, als gehörten sie zu ihm. Oft konnte man fast nichts erkennen, bis einer der Macheteros, die geholfen hatten, die Unglücksstelle zu finden, ein ziemlich langes Stück einer Seitenwand des Flugzeugs aufrichtete und Blätter, Moos und Flechten beiseitewischte: Lack und Beschriftung waren wie neu. Es war wie in einem Traum, ich sah all die Teile des Flugzeugs, in dem ich einmal gesessen, ja in dem ich die Anden überquert hatte, aus dem Grün des Regenwalds auftauchen. Und doch, es berührte mich kaum. Ich fand das äußerst interessant, auch die kleineren Funde wie das Bruchstück eines der Tabletts, von dem auch ich mein letztes Frühstück vor dem Unglück zu mir nahm, oder die Überreste eines Plastiklöffels, eines Geldbeutels, der noch zwei inzwischen ungültig gewordene Münzen enthielt, Reste des Bodenteppichs, von dem sogar noch die Farbe zu erkennen war, auch der Fund des Absatzes eines Frauenschuhs, der metallene Rahmen eines Koffers, dessen Schlösser groteskerweise noch abgeschlossen waren, während der Stoff, der ihn ursprünglich umhüllt hatte, verschwunden war. All das faszinierte mich zutiefst, aber es regte keine Saite in meinem Innern an zu vibrieren. Als sei ich eine Außenstehende und betrachte ein fernes Spektakel.
Was mich erstaunte, war: Die Flugzeugteile wirkten so unberührt. Wir fanden auch einen Propeller und jene Turbine, der ich auf meiner Wanderung damals schon begegnet war. Ebenso einen Dreiersitz, der besser erhalten war als alle anderen, die wir fanden, und wir nahmen an, dass es derjenige sein könnte, mit dem ich vom Himmel gefallen war. Faszinierend fand ich auch, dass über uns Flugzeuge hinwegflogen, wir befanden uns exakt unter der Fluglinie Lima–Pucallpa, der Pilot hatte damals also gar nicht erst versucht, dem Gewitter auszuweichen.
Auch das Wiedersehen mit jenem Bach, der mich aus dem Wald herausführte und mir so das Leben rettete, war für mich eigenartig unwirklich. Wasserläufe können sich im Laufe der Jahre im Regenwald durchaus verändern, ebenso wie die Vegetation sich ständig wandelt, und doch hatte ich das deutliche Gefühl, an jener Stelle schon einmal gewesen zu sein. Als wir zum Río Shebonya kamen, trafen wir an einer bestimmten Stelle am Ufer viele Schmetterlinge an, und Werner Herzog kam auf den Gedanken, eine Szene zu filmen, in der ich durch eine bunte Wolke von Faltern gehe. Aber wie diesen Flattermännern erklären, dass sie sich auf Werner Herzogs Regieanweisung hin hier versammeln sollten? Da half unser Wissen als Zoologen, denn mein Mann sagte: »Das ist ganz
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