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Als ich vom Himmel fiel

Als ich vom Himmel fiel

Titel: Als ich vom Himmel fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Koepcke
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einfach! Da müssen wir jetzt alle hinpinkeln, dann kommen die Schmetterlinge in Scharen.«
    Gesagt, getan. Das gesamte Filmteam pinkelte an diese Stelle, und so entstand die schöne Szene, in der ich durch einen aufflatternden Schmetterlingsschwarm geh e – eine treffende Metapher für meinen Flug, den Absturz und meinen Weg zurück ins Leben.
    Und schließlich fanden wir unter all den Trümmern etwas, was mich doch tief berührte. Wieder war es zunächst kaum zu erkennen, obwohl es riesige Ausmaße hatte. Es war ein Teil des Fahrgestells, das mit den Rädern nach oben im Wald lag. Wie es so dalag, erinnerte es mich fatal an die Überreste eines toten Vogels, eines wirklichen Lebewesens, das da mit den Füßen nach oben hilflos gestrandet war.
    Ich weiß nicht, was die Menschen erwarteten. Ob sie damit rechneten, dass ich in Tränen ausbrechen oder einen großen emotionalen Ausbruch erleben würde. Dafür bin ich nie der Typ gewesen. Irgendein Überlebensinstinkt hatte wohl außerdem im Laufe der Jahre einen Schutzschild um mich gebildet, der es mir erlaubte, ein sogenanntes normales Leben zu führen. Außerdem denke ich heute: Der Schock, den ich zweifelsohne während meines Sturzes aus 300 0 Meter Höhe erlitt, hielt bis damals während der Dreharbeiten an. Teilweise ist er heute noch nicht völlig aufgelöst. Und wahrscheinlich ist das auch in Ordnung so. Es ist ein Mechanismus, um mit dem Ungeheuerlichen zu leben, mit ihm umzugehen, als wäre es ein Muttermal, das zu uns gehört, eine Narbe, ein Gebrechen. Oder manchmal auch ein Segen. Wer mag das schon entscheiden?
    Aber heute, als ich über die Lagune von Yarinacocha blicke, spüre ich, dass die Zeit, in der ich diese Erinnerungen auf Abstand halten musste, nun vorbei ist. Jetzt wird es Zeit, darüber zu sprechen. All die Jahre war es nicht möglich. Die Arbeit mit Werner Herzog, die ich sehr genoss und für die ich ihm bis heute außerordentlich dankbar bin, hat mir ein großes Stück weitergeholfen, meine Vergangenheit zu bewältigen. Für mich, die ich nie zu einem Therapeuten ging, waren Herzogs Filmarbeit, sein einfühlsames Fragen und seine Fähigkeit, wirklich zuzuhören, sowie die Möglichkeit, mit ihm an den Ort des Schreckens zurückzukehren, die beste Therapie. Seither bin ich mehr zur Ruhe gekommen, mein innerer Pol hat sich gefestigt. Und dennoch mussten noch weitere 1 3 Jahre vergehen, ehe es mir möglich wurde, meine Geschichte so vollständig, wie ich es noch nie zuvor getan hatte, zu erzählen. Werner Herzogs behutsame Dokumentation hat damals die Weichen dafür gestellt, dass es mir heute möglich ist, dieses Buch zu schreiben. Ich habe es lange vor mir hergeschoben. Heute bin ich dazu bereit.

11 Eine lebt!

Kapitelanfang
    Während ich in der Nacht nach meiner Rettung im Haus des Arztes Dr . Lindholm in tiefem Schlaf liege, bricht in Pucallpa die Hölle los. Was sage ich Pucallp a – die unglaubliche Neuigkeit von meiner wundersamen Rettung geht um die ganze Welt! Ein Amateurfunker hat bereits um 1 6 Uhr, kaum waren wir in Tournavista angelangt, die Nachricht über den Äther verbreitet. Die Angehörigen der anderen Passagiere, die sich gerade eben ins Unvermeidliche schickten und versuchen, sich mit dem Tod ihrer Lieben abzufinden, geraten nun wieder in eine irrsinnige Euphorie. Die Hoffnung, es könnten auch andere überlebt haben, flammt erneut auf. Am Abend läuft alles, was Beine hat, auf die Straßen und strömt zur Plaza de Armas. Zunächst können die Leute die gute Nachricht gar nicht glauben. Noch in derselben Nacht beruft der Comandante der Fuerza Aérea del Perú, kurz FAP, Manuel del Carpio, der die Suchaktion leitet, eine Pressekonferenz ein. Er bestätigt meine Rettung, verbietet aber jeglichen Kontakt zu mir mit dem Argument, ich stehe unter Schock und müsse mich erholen. Er erwähnt, dass ich nur leicht verletzt bin, was die Hoffnungen unter den Verwandten der Passagiere nur vergrößert. Wenn Juliane nicht schwer verletzt ist, dann könnten doch andere ebenfalls noch zu retten sein? Und wie ein Lauffeuer verbreitet sich auch eine weitere wertvolle Information. Während unserer Fahrt über den Río Shebonya habe ich Don Marcio und Don Amado nämlich beschrieben, wie die Stelle aussah, an welcher der Bach, dem ich gefolgt war, in den Río Shebonya mündete. Ich erzählte von der Caña Brava, und da sie die Gegend kannten, wussten sie, dass dieses Riesenschilf in größerer Menge nur an einer einzigen Mündung wächst: an

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