Als ich vom Himmel fiel
meine Fallen aufzustellen und zu kontrollieren. In einer dieser dunklen Nächte traf ich einen Ozelot. Diesen nachtaktiven Einzelgängern begegnet man nur äußerst selten, und ich schätzte mich glücklich, dass unsere Wege sich kreuzten.
Ein anderes Mal hörte ich an sich nähernden Schritten, dass sich da ein größeres Tier auf mich zu bewegte. Ich blieb ganz still und wartete ab. Da trat auf einmal ein Tapir aus dem Gebüsch und blieb direkt vor mir stehen. Mit seinem Rüssel beschnüffelte er mich, offenbar ebenso erstaunt wie ich, wahrscheinlich fragte er sich, was ich wohl für ein seltsames Tier sei. Eine ganze Weile hab ich nicht gewagt, mich zu regen, denn ich wusste, dass diese Kerle ungemütlich werden können, vor allem, wenn sie Junge haben. Schließlich habe ich mich geräusper t – und der Tapir drehte sich um und verschwand wieder. Und in einer anderen Nacht, als ich von einer Feier in Yuyapichis nach Panguana zurückging, hatte ich eine noch viel unglaublichere Begegnung. Ich trug einen Karton auf dem Kopf und tastete mehr nach meinem Weg, als dass ich ihn sah, denn die Batterie meiner Taschenlampe war fast am Ende. So kam ich in der Dunkelheit ein Stück vom Weg ab und geriet an den Hang, der zum Fluss hinunterführte. Und da, auf einmal knurrte etwas ganz tief und orgelnd neben mir, wie ein sehr großer Hund und doch irgendwie anders. Ich leuchtete in eine kleine Senke unter mir, konnte aber nichts erkennen mit meiner Funzel. Da, wieder war da dieses Geräusch, tief und rollend, sodass ich dachte: »Nichts wie weg hier.« Am nächsten Tag erfuhr ich, dass es ein Jaguar gewesen sein musste, denn man fand an jener Stelle ein gerissenes Kalb. Offenbar störte ich ihn beim Fressen, und wenn meine Taschenlampe kräftiger gewesen wäre, dann hätte ich ihm wohl mitten ins Gesicht geleuchtet.
Ich gewöhnte mich daran, vorwiegend nachts unterwegs zu sein. Vor dem Morgengrauen war ich wieder auf den Beinen, denn ich musste die Fledermausnetze zusammenlegen, ehe die Vögel aufwachten und sich womöglich in ihnen verfingen. Besonders früh sind die Baumsteiger wach, und ich wollte nicht, dass sich die armen Tiere mit ihrer pfeilförmigen Zunge in einem Netz verhedderten. In diesen frühen Morgenstunden sorgt der Bodennebel für eine einzigartige Stimmung, denn er liegt wie ein weißes Tuch über Moros Weiden und Feldern. Es kann dann ganz schön kalt und die Feuchtigkeit direkt unangenehm werden, denn der Tau fällt bei 10 0 Prozent Luftfeuchte wie Regen auf die Bäume.
Viele Fledermäuse konnte ich auch an bestimmten Erdfraßstellen, sogenannten Colpas, beobachten, das sind Bereiche an Waldquellen oder am Flussufer, die besonders mineralhaltige Erde enthalten, eine wichtige Nahrungsergänzung für zahlreiche Vögel und Säugetiere. Ich hatte eine solche Colpa gefunden, zu der die Fledermäuse in Scharen flogen, um dort zu trinken. Da habe ich Moro gebeten, mir eine Art Hochsitz zu bauen, damit ich die Tiere besser beobachten konnte. Allerdings gab es dort auch Schwärme von Mücken, und ich musste an meine Mutter denken, die eine derartige Disziplin gehabt hatte. Sie schaffte es, sich nicht zu bewegen, und wenn ihr auch der Schweiß in die Augen floss.
In besonders dunklen und lautlosen Nächten konnte ich manchmal tief im Innern des Urwalds eine Serie von dünnen, hohen, fast körperlosen Pfiffen hören, die durch die Stille wehten wie nicht von dieser Welt. Sie kamen von jenem Tunshi, manchmal auch Tunchi geschrieben, vor dem ich mich als kleines Kind in Lima gefürchtet hatte, bis Alida kam und mich beruhigte. Wenn ich jetzt mitten im Wald so ganz alleine, nur im Lichtkegel meiner Taschenlampe etwas sehend, diese charakteristischen Töne hörte, dann war das auch für mich als Erwachsene unheimlich. Kein Wunder gilt der Tunshi im amazonischen Peru und auch in den Nachbarländern als Urwaldgeist, der nur in den dunkelsten, trostlosesten Nächten zu vernehmen ist. Dem Volksglauben nach ist er eine traurige, herumziehende Seele, die keinen Frieden findet. Anderen Legenden nach ist der Tunshi aber auch ein Hüter des Waldes, denn er tut nur denjenigen etwas, die dem Wald schaden, ihn abholzen oder seine Tiere töten. Er kann taub oder blind machen und auch Wahnsinn oder sogar den Tod bringen. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um einen vollkommen harmlosen kleinen Kuckuck, der fast nie zu sehen ist. Durch seine Lautlosigkeit und die besonders finsteren Nächte, in denen er ruft, hat er aber auch
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