Als könnt' ich fliegen
der eine von ihnen sah nicht aus wie jemand, mit dem ich mich gern angelegt hätte: Kampfhundmimik, Stoppelhaar, schmieriges T-Shirt, Springerstiefel. Der andere sah dagegen aus wie Papis Liebling. Die drei Teile, die er am Leib trug, hatten sicher fünfhundert Euro gekostet. Sein Haar war weißblond gefärbt.
»Er meint es nicht so«, sagte ich und deutete auf Björn. »Er ist ein Spaßvogel.«
»Ich weiß«, meinte Marco. »Den kleinen Wichser hab ich noch nie für voll genommen.« Diese Worte ausgerechnet aus seinem Mund hatten schon wieder was: Wenn es einen anerkanntermaßen kleinen Wichser gab, den niemand für voll nahm, dann war es er selbst. Er schien erleichtert, dass wenigstens ich mich in Björns Namen entschuldigt hatte. Die beiden anderen sahen leider gar nicht erleichtert aus.
Ich fragte mich ernsthaft, wie ausgerechnet Marco an diese Typen geraten war. Papis Liebling setzte sich auf einen der freien Stühle an unserem Tisch und legte ein Bein hoch.
»Die Einladung bitte«, sagte Björn.
Der Typ schaute über die Schulter den Kampfhund an.
»Tatsächlich ein Komiker«, sagte er betont langsam. »Unser kleiner Wichser.«
»Soll ich ihm Manieren beibringen?«, fragte der Kahlköpfige. Spaßig klang das weniger.
»Geben wir ihm noch eine Chance«, sagte Marco. Das sollte cool klingen. Aber es war klar, dass ihm das Eisen langsam zu heiß wurde. Der Typ an unserem Tisch bekräftigte dagegen, dass er persönlich nichts gegen eine kleine Schlägerei einzuwenden hatte.
»Die aller letzte Chance«, erklärte er ruhig.
Ich hoffte inständig, dass Björn nun die Klappe hielt. Er tat mir den Gefallen, er war ein echter Freund. Ich hasste alles, was irgendwie nach Prügelei roch.
»Kann ich etwas für euch tun?«, fragte ich. »Vielleicht eine Cola?« Ich hatte mich an Marco gewandt, aber der war plötzlich aus dem Spiel. Seine Aufgabe war offenbar erfüllt, indem er die beiden anderen an unseren Tisch geführt hatte.
»Cola! Der will uns verarschen«, meinte Glatze verächtlich. Das war sein letzter Beitrag. Von nun an redete nur noch Papis Liebling. Er trug ein schickes geblümtes Sommerhemd und einen äußerst modischen Haarschnitt.
»Nein danke«, sagte er höflich. »Wir wollen nichts trinken. Wir gehen gleich wieder. Ich hab dir nur einen Vorschlag zu machen.«
»Ich bin ganz Ohr«, versicherte ich.
»Ich hab gehört, dein alter Herr ist ein fanatischer Plattensammler.« Er lächelte verbindlich.
»Fanatisch würde ich das nicht nennen«, sagte ich, »aber er sammelt Platten, das stimmt. Allerdings frage ich mich zwei Dinge.«
»Die eine ist, woher ich das weiß.« Er war nicht dumm. »Und die zweite?«
»Die zweite Frage ist: Was geht dich das an?«
Ich merkte sofort selbst, dass die Frage angesichts meiner friedlichen Absichten etwas zu scharf formuliert war.
In seinem Blick las ich, dass er so viel Widerspruchsgeist nicht gewohnt war. Aber offenbar wollte auch er keine Schlägerei und machte weiter einen auf freundlich. Dafür musste es einen tieferen Grund geben. Ich wusste immer noch nicht, welchen.
»Ich verstehe beide Fragen«, sagte er. »Sehr gut sogar. Aber lass mich dir eine ganz andere Antwort geben.«
»Wenn du ihn schlägst«, schaltete Björn sich ein, »hast du zwei Feinde.«
Papis Liebling lachte amüsiert. »Schlagen! Wer redet denn von so was? Nein, ich will dir eine Wette anbieten. Sonst gar nichts.«
»Eine Wette?« Langsam wurde es interessant.
»Mein Freund hier, Hardy«, sagte er, »hat auf seinem Dachboden etwas sehr Interessantes gefunden. Stimmt’s, Hardy?«
»Na klar«, meinte Hardy. »Auf’m Dachboden. Wo sonst?«
»Nämlich eine uralte Originalaufnahme von Bob Marley. Schwarzdruck natürlich. Ist ja ein Neger.«
Hardy und er amüsierten sich köstlich.
»Aber Spaß beiseite. So gut wie einmalig das Ding. Dein Alter wird sich alle zehn Finger danach abschlecken.«
Wenn es diese Platte wirklich gab, was ich bezweifelte, dann hatte er mit Sicherheit Recht: Mein Vater würde jeden Preis dafür zahlen.
»Die Wette?«, fragte ich. Ich erwartete nichts Gutes.
»Ganz einfach«, sagte Papis Liebling. »Hier humpelt doch seit ein paar Tagen diese Behinderte rum. Wenn du die ins Bett kriegst, gehört die Scheibe dir.«
»Wie bitte?« Ich konnte nicht fassen, was ich gehört hatte.
»Bist du schwerhörig?«, fragte er plötzlich aggressiv. Er sprang auf und warf mir etwas auf den Tisch. Ein Stück Pappe. Er wandte sich zum Gehen. Hardy und Marco folgten
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