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Als könnt' ich fliegen

Als könnt' ich fliegen

Titel: Als könnt' ich fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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ihm widerspruchslos. Bevor er um die Ecke verschwand, drehte er sich noch einmal um.
    »Melde dich bei mir«, sagte er. »Wenn du einschlägst, zeig ich dir beim nächsten Mal die Scheibe.«
    »Vergiss es!«, rief ich ihm hinterher, war mir aber nicht sicher, ob er es noch hören konnte. Björn hielt das Stück Pappe hoch.
    »Nun guck dir das an«, sagte er. »Dieser Lackaffe verteilt tatsächlich Visitenkarten. So was muss ich mir auch zulegen. Unbedingt.«
    Ich nahm sie ihm aus der Hand und las: »Dennis Berger«. Daneben stand nur die Handynummer. Reflexartig wollte ich die Karte zerreißen und in den Aschenbecher werfen. Aber im letzten Moment entschied ich anders.
    »Hast du so was Beklopptes schon mal gehört?«, fragte ich.
    »Muss ich mal drüber nachdenken«, meinte Björn. »Irgendeinen saublöden Film gibt’s bestimmt, in dem so was vorkommt.«

9
    28. August, Mittwoch, 23.30 Uhr
    An mir lag es wirklich nicht! Ich hab heute Morgen nicht getan, als sei irgendwas Besonderes gewesen. Schließlich will ich ihn nicht in irgendwelche peinlichen Situationen bringen. Und mich erst recht nicht. Und das wäre ja wohl ziemlich peinlich: Ich auf ihn los und: Hi, wie geht’s? Und dann kennt er mich kaum noch. Aber so ist es nicht gewesen. Eher hab ich so getan, als ob ich ihn nicht kenne. Er hat aber diese Chance, alles ungeschehen zu machen, nicht genutzt. Im Gegenteil: Er hat mich ganz freundlich gegrüßt. Fast ein bisschen überschwänglich, würde ich sagen. Mitten auf dem Schulhof. Jede Menge Leute haben es mitgekriegt, aber das schien ihm völlig egal zu sein. Und eins gebe ich zu, wenn auch nur hier im Tagebuch: Ich habe mich total darüber gefreut! Ich wollte es nicht, aber es war so.
    Als er mich dann gefragt hat, ob ich am Abend mit ihm ins Kino gehe, hab ich gleich Ja gesagt. So schnell, wie ich sonst nie Ja sage. Viel zu schnell also. Das fand ich dann gleich wieder doof. Das ist auch eine Form von Aufdringlichkeit: Man gibt dem anderen keine Chance, seinen Vorschlag zurückzunehmen. Und es scheint so, als sei man total auf seine Einladung angewiesen. Im Kino war es dann trotzdem unheimlich schön. Als würden wir uns schon ganz lange kennen. Aber gleichzeitig hatte ich ein Kribbeln im Bauch, als würde ich neben Orlando Bloom persönlich sitzen. Aber der war nur auf der Leinwand. Wir, also Tobias und ich, haben uns bei den Händen gehalten. Nach dem Film wollte er noch was trinken gehen, aber es war schon spät. Er hat mich nach Hause gebracht. Wie in einem altmodischen Film haben wir uns vor unserem Gartentor geküsst. Gewollt hab ich das eigentlich nicht. War aber nicht weiter schlimm.
    23.50 Uhr
    Warum bin ich eigentlich nicht mal im Tagebuch ehrlich? Es war superschön! Mit Sicherheit kann ich die ganze Nacht nicht schlafen, weil ich immer an ihn denken muss, wetten? Ich hab so was echt noch nicht erlebt. Ich weiß nicht, was ich machen soll.
    Heute Nacht hatte ich ein Déjà-vu. Als ich nach Hause kam, traf ich auf meinen Vater, der in der dunklen Küche saß und trank. Wenn auch dieses Mal keine heiße Milch, sondern gekühltes Bier. Aber er schien genauso nachdenklich wie vor ein paar Wochen, als ich ihn hier zuletzt nachts getroffen hatte. Damals hatte er über einer Entscheidung gebrütet. Erst später war mir klar geworden, dass es darum ging, ob Marlies und Ilka bei uns einziehen sollten. In krassem Gegensatz zu damals schwebte ich in dieser Nacht auf Wolke sieben.
    »Auch ein Fläschchen?«, fragte mein Vater. Ich nickte und holte mir ein Bier aus dem Kühlschrank.
    »Wie ist es?«, fragte ich. »Draußen schon was zu erkennen?«
    »Kein Problem«, sagte er. »Es ist ja fast Vollmond.«
    Ich setzte mich neben ihn. Er hatte das Fenster weit geöffnet. Ein paar Grillen gaben draußen ein Konzert.
    »Wieder eine Entscheidung zu treffen?« Ich war ganz schön neugierig. Er antwortete nicht.
    »Weißt du noch«, fragte er stattdessen zurück, »was du mir hier das letzte Mal versprochen hast?«
    Ich brauchte nicht lange überlegen.
    »Dass du der Erste sein wirst, der erfährt, wenn ich eine Freundin habe.«
    »Und?« Er nahm einen Schluck von seinem Bier. Ich wusste, dass er an Ilkas Auftritt vom Vorabend dachte. Auch ich nahm einen Schluck. Das Bier schmeckte bitter, aber seine Kühle tat gut.
    »Hiermit erfülle ich mein Versprechen«, sagte ich feierlich. »Du bist der Erste, der es erfahren hat.«
    Der Mond kroch hinter einem Baum hervor. Ich konnte das Lächeln meines Vaters

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