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Als meine Mutter ihre Kueche nicht mehr fand

Als meine Mutter ihre Kueche nicht mehr fand

Titel: Als meine Mutter ihre Kueche nicht mehr fand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joern Klare
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»mitverantwortlichen Lebens in Gemeinschaft«.
    – Wenn die nicht entwickelt ist, kann es dazu kommen, dass in Bezug auf demente Menschen gefragt wird: Was will der hier noch? Das ist natürlich desaströs.
    – In welcher Form könnte sich die Gesellschaft darauf vorbereiten?
    – Wir müssen mit unserer Vorstellung, alles zu können und hinzukriegen, vorsichtig sein. Wir müssen uns in unserer »Gesellschaft des langen Lebens« mit dieser Verletzlichkeit konfrontieren. Unsere ganze Einstellung zum Leben ist durch die Demenz in hohem Maße betroffen.
    Kruse erzählt, dass er von Kollegen aus der Wissenschaft hin und wieder auch bewusst und betont provokativ gefragt werde, warum man das Problem nicht mit »einer Spritze erledigen« könne. Öffentlich würde aber niemandsolche endgültigen »Lösungs«-Vorschläge formulieren, geschweige denn dafür plädieren. Allerdings ist das eine klassische Methode, an einem Tabu zu kratzen.
    – Das Phänomen der Demenz fordert unsere Gesellschaft in einem hohen Maß in ihrer Empathiefähigkeit und Solidarität. Das können wir nicht alles über Institutionen regeln. Das wäre der Untergang.
    Er lehnt sich zurück, leert seine Kaffeetasse, schaut auf die Uhr.
    – Diese ganzen Diskussionen über die Finanzierung der Pflegekassen und die Kriterien der einzelnen Pflegestufen sollen uns vormachen, dass wir das im Griff haben. Letztlich ist das fatal, weil uns das in die Irre führt. Nichts haben wir da im Griff.
    Kruse muss weiter zum nächsten Termin, und ich buche ein Zugticket für meinen nächsten Besuch in Warendorf ein paar Tage später. Die Begegnung mit dem Alternsforscher wirkt nach.
    Die Demenz meiner Mutter entwickelt sich immer stärker zu einer Herausforderung für mein Menschenbild, für meine Vorstellung vom Leben und für mich selbst. Nach Kruse kann eine solche »reflektierte und verantwortliche Auseinandersetzung mit Verlusten sowie mit der eigenen Endlichkeit« durchaus »zur Erfüllung des Lebens« beitragen. Klingt gut, fühlt sich nur gerade nicht so an.
    Ich stürze mich in die Fachliteratur und häufe auch dank der Berliner Bibliotheken rasch einen stattlichen Stapel an relevanten Veröffentlichungen an – erst auf dem Schreibtisch, dann auf dem Boden meines Arbeitszimmers.

Erinnerungen IV
    »Musste jemand aus eurer Familie in den Krieg?«
    »Ja, mein Vater. Papa war im Krieg. Aber er ist ziemlich spät eingezogen worden. Wieso, weiß ich auch nicht. Wir hatten ihn auch mal besucht, wo er stationiert war, im Sauerland. Er war da in so einem Vorbereitungslager, würde ich sagen. Da lag ganz hoch Schnee. Mutti, Tante Gerda und ich sind sonntagmorgens mit dem Zug hingefahren. Ach, das war eine Himmelfahrt! Er durfte mit einem Kollegen, einem Kameraden mit uns … Ich kann mich nicht erinnern, ob wir in einer Kneipe waren … Ich weiß, dass wir durch einen so tief verschneiten Wald gingen. Und dann hab ich immer gesagt: ›Papa komm doch bitte mit nach Hause!‹ Als der Krieg aus war, ist er auch noch da ins Sauerland hingefahren und hat Hühner mitgebracht.«
    »Und was musste er machen?«
    »Ich weiß es nicht. Der wurde irgendwie ausgebildet. Dann kam er zurück. Das weiß ich noch ganz genau. Am 9. April kam er, der 13. ist ja mein Geburtstag, und brachte noch jemanden mit. Wir lebten da schon im Keller. Es traute sich ja keiner mehr raus. Ich hatte eine Matratze im Kartoffelschoß. Und da kam Papa nach Hause und hatte mir einen Füller mitgebracht, weil ich ja Geburtstag hatte. Und dieser Kollege, der Kriegskamerad, der war mit bei uns, der lebte eigentlich woanders. Der hat die erste Nacht bei uns geschlafen und der hatte Läuse, und hinterher hatten wir alle Läuse. Und dann kann ich mich noch daran erinnern, dass …«
    »Warte bitte mal, warum wart ihr im Keller?«
    »Wegen der Bombenangriffe. Tagsüber waren wir vielleicht mal oben im Haus. Aber sobald wir was hörten, rannten wir runter. Und als die Amerikaner kamen …«

Dünnes Eis
    Auszug aus dem Pflegebericht
    Um ca. 23.50 Uhr habe ich bemerkt, dass die Bewohnerin im Schwesternzimmer die Fenstertür geöffnet hat. Ich bin rausgegangen, um nachzusehen, ob jemand draußen ist. Da ich niemanden sah, habe ich die Station abgesucht und gemerkt, dass die Tür zum Zimmer der Bewohnerin offen stand, diese selbst aber nicht in ihrem Bett lag. Danach bin ich zu ihrem Lebensgefährten gegangen, wo sie aber auch nicht war. Dann habe ich die Polizei angerufen und die Situation geschildert. Um ca.

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