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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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dem Gesicht gestrichen und die Brille abgesetzt.
    May zögerte. Sie spürte, wie sich über dem Kragen ihrer Bluse ihr Hals rötete. »Für einige Menschen würde ich alles tun. Für Florence ganz bestimmt.«
    Vera Borchby musste ihre Tür aus Versehen offen gelassen haben, denn mit Besuch hatte sie gewiss nicht gerechnet. So hatte sie auch nicht gemerkt, wie May und Florence im Zimmer standen. An den geschnürten Gartenstiefeln, die in die Luft ragten, erkannten ihre ungebetenen Besucher, dass eine der beiden Gestalten auf dem Sofa eindeutig Vera war. Aus dem Radio in einer Ecke des Zimmers tönten die munteren Akkorde eines Songs von Irving Berlin, doch konnten sie die Grunzlaute, die vom Sofa kamen, nicht übertönen. May nahm Florence bei der Hand und zog sie ins Freie.
    Es hatte lautstarke Proteste gegeben, gefolgt von Hunderten von Fragen. Nachdem sie jedoch bei dem Mann, der auf einem Fahrrad mit Kühlbox durch die Dörfer fuhr, ein Eis gekauft hatten, versprach Florence, kein Wort darüber zu verlieren, dass Lady Myrtle Miss Borchby »unten herum« umarmt hatte und die beiden Frauen sehr »fröhlich« gewesen waren, wie May es aus schierer Verzweiflung genannt hatte. Florence war gut darin, Geheimnisse für sich zu behalten, das hatte sie May gegenüber schon oft beteuert.
    »Und was ist danach mit Myrtle passiert?«, fragte Julian, der gern das Ende der Geschichte erfahren hätte.
    »Am nächsten Tag ist sie abgereist. Keiner von uns hat sie noch einmal gesehen, ausgenommen Mr Hooch, der sie zum Bahnhof gebracht hat. Aber wir mussten einfach darüber reden. Die Köchin hat beeindruckende Kenntnisse über solche Frauen.
Sie hat uns von einer namens Soundso-Hall erzählt, die vor kurzem ein Buch darüber geschrieben hat.«
    »Ein ziemlich enttäuschendes Buch«, hatte die Köchin mit der Miene einer Kennerin des gedruckten Wortes bemerkt. »Eine Freundin hat sogar ihr Geld von der Buchhandlung zurückverlangt. Ich schätze, hinter verschlossenen Türen treiben es Dutzende von Frauen miteinander«, argwöhnte sie, zog einen übertriebenen Flunsch und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
    Mr Hooch war über die mutmaßlichen Vorgänge im Cottage der Gärtnerin zwar weniger empört, aber gleichermaßen gefesselt. »Wer hätte das gedacht?«, sagte er zu May mit jenem vergnügten Augenzwinkern, das ausschließlich ihr vorbehalten war. »Zwei vom anderen Ufer! Mitten in unserem Dorf! So was aber auch! Aber ist ja nichts passiert, oder?«, kicherte er. »Schon wieder die Nachwirkungen dieses verdammten Krieges, wenn Sie meine Ausdrucksweise entschuldigen. Nicht genügend anständige Kerle übrig, um reihum zu gehen, oder? Spielt den Frauen übel mit, der Krieg.«
    May war mit ihrer Erzählung fast zu Ende. »Als Sir Philip vom Landsitz des Premierministers zurückkam, bestellte er uns alle, außer Vera natürlich, in den Salon und bat uns, den Vorfall für uns zu behalten. Es sei ein Segen, dass Lady Joan nichts davon mitbekommen habe. Mich bat er unter vier Augen, ab sofort alle Umschläge, die mit grüner Tinte an ihn adressiert sind, mit der Aufschrift ›Zurück an den Absender‹ zu versehen und wieder dem Postboten zu übergeben. Auch mit Vera hat er ein Wörtchen geredet. Dass er sie nicht entlassen hat, liegt nur daran, dass der Garten so schön ist. Obwohl er großen Wert darauf legt, uns allen gegenüber zu betonen, dass sie nichts Unrechtes getan hat. Sie hat sich sogar erboten, ein neues Heim für den armen Kanarienvogel zu finden. Und Mr Hooch freut sich mehr als alle anderen darüber, dass Vera bleibt, denn er meint, dass sie den besten Kopfsalat in Sussex anbaut.«
    May schloss ihren Bericht über die vergangenen Wochen in Cuckmere nur widerstrebend ab. Solange sie sprach, gab es für Julian immerhin keine Gelegenheit, ihr zu erzählen, wie glücklich er mit Lottie in Berlin gewesen sei. Während er an der Theke darauf wartete, dass Danny ihre Gläser nachfüllte, betrachtete sie den Rücken seines Tweedjackets.
    »Ich habe gute Nachrichten«, sagte er schließlich und stellte mit Schwung sein Glas auf den Tisch. »Ich habe beschlossen, Jura zu studieren und Anwalt zu werden. Ein ausgezeichneter Repetitor hat mir einen Platz angeboten, um mich auf die Juraprüfung vorzubereiten. Im September fange ich an. Und was noch besser ist, ich bin in Middle Temple aufgenommen. Und das Beste ist, dass ich mich, jetzt wo ich Lotties manikürten Klauen entronnen bin, in aller Ruhe auf die

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