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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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Stelle als Chauffeurin?«,
fragte Nat. »Im Krieg waren viele Frauen als Fahrerinnen angestellt. Damals hatten Frauen die Hosen an. Viele auch heute noch«, sagte er und blickte hinüber zu Rachel. »In der Werkstatt reden sie zwar davon, dass es wieder Krieg geben wird«, fuhr Nat fort, und sein Blick traf auf Sarah, die zustimmend nickte, »aber keiner von uns glaubt daran. Selbst Mosley und seine faschistischen Schläger verlieren in diesem Land an Einfluss. Außerdem wird Baldwin alles in seiner Macht Stehende tun, um einen Krieg zu verhindern.«
    Nat klang nicht sehr optimistisch.
    »Aber was auch immer passiert, es gibt keinen Grund, weshalb Fahrerinnen auf einen weiteren Krieg warten sollten, um diesen Beruf wieder ausüben zu können. Besonders, wenn sie wirklich tüchtig sind.«
    »Was für ein Auto würde ich denn fahren?«, fragte May. »Und wer würde darin sitzen?«
    »Nun, wie man hört, ist die Londoner Taxifahrerprüfung sehr schwierig. Du musst sämtliche Straßen Londons in- und auswendig kennen. Man nennt die Prüfung ›Das Wissen‹, und es heißt, sie sei schwerer zu bestehen als die Aufnahmeprüfung für Oxford oder Cambridge!«
    »Sie hat eine schnelle Auffassungsgabe«, unterbrach ihn Sam voll brüderlichem Stolz.
    »Das glaube ich sofort«, erwiderte Nat, »aber vielleicht wäre es eine bessere Idee, erst einmal nachzusehen, ob in der Zeitung auch private Anstellungen inseriert sind.« Vielleicht suchte ja ein Times -Leser auf dieselbe Weise nach ihr wie sie nach ihm?
    May saß auf ihrem Bett und schlug noch einmal die Zeitung auf. Wieder begann sie mit der dritten Seite. Mit dem Zeigefinger fuhr sie die Spalten mit den Stellenangeboten entlang. Da man die Zahl der Hausangestellten seit der Großen Depression drastisch hatte reduzieren müssen, versuchten selbst die prächtigsten Häuser, die Pflichten ihres Personals zu verdoppeln. An
jenem Tag übertrafen die Anzeigen für »Köchin und andere Tätigkeiten« alle anderen Kategorien – ein Euphemismus, der Nat zufolge verhüllte, dass es sich eher um allgemeine Sklavenarbeit handelte.
    »Vor dem Krieg hättest du eine solche Stellenanzeige nie zu Gesicht bekommen«, hatte er gesagt.
    Immerhin wurde ein Zimmermädchen für eine Familie in South Kensington gesucht, und in der Nähe von Southampton benötigte man eine Hausdame, die eine Gruppe von vier weiteren Dienstmädchen leiten sollte. Die Annonce versicherte allen Bewerberinnen, ihr Arbeitgeber sei eine »adelige Familie«. Keine der beiden Positionen klang so, als käme sie für May in Frage. Weiter unten auf der Seite allerdings stockte ihr ein wenig der Atem. Einen Moment lang schwebte ihr Zeigefinger über dem Inserat, dann legte sie die Hände in den Schoß und las langsam die sieben bündigen Zeilen.
     
    Diskretion ist eine unerlässliche Qualifikation für die Kandidatin, die sich erfolgreich um eine Tätigkeit als Chauffeuse bewirbt, mit zusätzlichen Pflichten als Sekretärin für vielbeschäftigten Parlamentsabgeordneten mit Sitz in London und Sussex. Flexibilität, Bereitschaft zu harter Arbeit, Kenntnisse in Buchführung, ein adrettes Erscheinungsbild und ein untadeliges Führungszeugnis werden vorausgesetzt.
     
    May umkringelte das Inserat mit einem Bleistift, ging nach unten und wartete darauf, dass Sam und Nat nach Hause kamen. Obwohl sie sich bereits entschieden hatte, wollte sie sie um Rat bitten. Noch am selben Abend rief sie von Nats Werkstatttelefon aus die in der Zeitung abgedruckte Nummer an. Es wurde vereinbart, dass May den Zug von der Victoria Station nach Polegate nehmen sollte, wo man sie abholen und nach Cuckmere Park fahren werde. Die Haushälterin, die sich mit tiefer Stimme als Mrs Cage vorstellte, sagte, Sir Philip werde zu Hause sein
und freue sich darauf, das Vorstellungsgespräch selbst durchzuführen.
    »Er will sichergehen, dieses Mal jemanden zu finden, der die Arbeit zufriedenstellend erledigt«, sagte Mrs Cage. »Und er ist nicht der Einzige hier in Cuckmere, der von Schludrigkeiten genug hat«, fuhr sie fort. »Entschuldigen Sie meine Wortwahl, ich habe zu viel Zeit im Ausland mit Männern und ihrer verwahrlosten Sprache verbracht. Eine Frau am Steuer erregt allerdings Aufmerksamkeit. Ich hoffe, Sie putzen sich schön heraus.« In ihrer Stimme klang ein warnender Ton an, bevor sie den Hörer auflegte.
    Nat hatte Sarah einen warmen Wintermantel aus dickem Tweed genäht. Sarah beharrte darauf, der Mantel sei ideal für Mays schlanke Figur und

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