Als Mrs Simpson den König stahl
über den glänzenden Marmorboden durch die imposante Eingangshalle, die von einem prunkvollen Kronleuchter erhellt wurde, vorbei an einem polierten georgianischen Tisch, auf dem zwei riesige, prächtige chinesische Vasen standen. Überzeugt, dass sie in den Räumlichkeiten noch überbordendere Eleganz erwartete, zogen sie das Faltgitter des Aufzugs hinter sich zu. Evangeline hoffte, dass Wallis sie neben Julian platzieren würde. Auch auf das Essen selbst freute sie sich. Mr und Mrs Simpson brüsteten sich damit, köstliche Gerichte zu servieren.
»Du weißt ja, Vangey, wie sehr wir Südstaatler es lieben, unseren Gästen auserlesene Speisen vorzusetzen, und Ernest war schon immer so etwas wie ein Gourmet, weißt du?«, hatte Wallis nachmittags am Telefon mit unerwartetem Stolz in der Stimme getönt. Und Evangeline hatte vorübergehend bezweifelt, ob ihre Gefühle für den König wirklich jene abgelöst hatten, die sie noch immer für ihren Mann empfand.
Wie immer es darum stand, Ernest und Wallis waren beide stolz, Mrs Ralph in ihren kulinarischen Fertigkeiten »gefördert« zu haben. Mrs Ralph, ursprünglich Küchengehilfin von Lady Curzons französischem Koch, war von der Hand eines Meisters ausgebildet worden. Als sie nach Bryanston Court kam, hatte sie ein Fingerspitzengefühl für Pasteten und Saucen entwickelt, mit dem es nur wenige aufnehmen konnten. Ihre Vorliebe, Gemüse al dente zu dünsten, statt es nach der üblichen britischen Methode zu Brei zu verkochen, war von Wallis' Gästen oft hervorgehoben worden.
Während sich Ernest mit großer Sorgfalt bei der Menüabfolge hervortat, zeigte sich Wallis' Geschmack im Mobiliar. Ein ungewöhnlicher gelb und schwarz gestrichener italienischer Tisch und eine William-and-Mary-Kommode aus Walnussholz harmonierten im Salon perfekt mit den blassgrün gestrichenen Wänden und den schweren cremefarbenen Vorhängen. Überall standen gläserne Vasen mit Madonnenlilien und erfüllten die Luft mit einem süßlich-modrigen Geruch, der von der Überhitztheit
der Wohnung noch verstärkt wurde. Aus Schilfkörben, die in den Ecken des Salons platziert waren, ragten zarte Orchideen mit rosafarbenen Blütenrändern. An den Enden eines Beistelltischs übten sich zwei Mohren aus Ebenholz und Blattgold im Handstand und balancierten auf ihren Fußsohlen kleine Tabletts, auf denen passend getünchte Blätter mit weißen Rosen arrangiert waren, ein Beweis dafür, dass Mrs Spry hier im Laufe des Tages ihren Zauber gewirkt hatte. Und auf einem kleinen Schreibtisch in der hinteren Ecke des Raumes befand sich ein Briefständer, der mit dicken weißen Karten bestückt war und an dem ein eleganter Kupferstich mit der Aufschrift »Zu Hause« prangte.
Nachdem Wallis an einem niedrigen Tischchen mit einiger Kunstfertigkeit ein, zwei Cocktails gemixt und Evangeline sich wieder mit Slipper bekannt gemacht hatte, dem niedlichen kleinen Cairn-Terrier, den der König Wallis geschenkt hatte, wurden die Gäste gebeten, sich in dem hübschen Esszimmer zu versammeln. Die Wände waren mit einer blau-weißen französischen Tapete versehen, die eine bukolische Szene mit Kühen und Milchmägden zeigte, und die für zwölf Personen gedeckte Tafel erstrahlte im Schein brennender Kerzen. Für jeden Gast war ein kleines Schälchen mit winzigen pinkfarbenen Rosenknospen bereitgestellt worden, und aus einem erhöhten silbernen Ständer in der Mitte der Tafel ergoss sich eine üppige Kaskade von Muskattrauben, eine Spezialität, die es zu dieser Jahreszeit in London nicht zu kaufen gab. Die Gedecke mit dem erlesenen Goldbesteck – eine Leihgabe des Königs, wie Wallis Evangeline anvertraut hatte – rundeten den überwältigenden Eindruck ab, den der Anblick auf die Gäste machte.
Elf Personen versammelten sich um den Tisch und warteten auf die Rückenlehnen der weißen Lederstühle gestützt darauf, dass Wallis ihnen ihre Plätze zuwies, die sie zuvor in einer Sitzordnung festgelegt hatte.
»So, du sitzt hier, Vangey, aber vergiss nicht dein Umschlag
tuch. Deine armen Schultern sehen ganz so aus, als könnten sie etwas Schutz gebrauchen.«
Evangeline tröstete sich damit, dass sich sicher eine andere Gelegenheit ergeben würde, sich mit Julian zu unterhalten, und begab sich zu dem Stuhl zwischen Ernest Simpson und George Hunter, auf den Wallis gezeigt hatte.
»Ernest kennst du natürlich schon, glaube ich. Und mit Kitty und George sind wir seit unseren ersten Tagen in London befreundet«, erklärte
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