Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
hätte ich auch nur joggen gehen können, aber der Sport in dem Studio tat mir gut und war mir zum damaligen Zeitpunkt zu wichtig, als dass ich ihn aufgegeben hätte. In meiner Lehre verdiente ich im ersten Lehrjahr nicht mehr als 350 Mark im Monat. Ich hatte zwar noch meine Abfindung von der Bundeswehr, mit der wollte ich jedoch die Berufsschule in Lübeck bezahlen. Eine staatliche Unterstützung zu diesem Ausbildungsplatz gab es zu jener Zeit zwar, allerdings deckte dieser Zuschuss bei Weitem nicht die gesamten Schulkosten.
Darüber hinaus musste ich zweimal im Jahr die Fahrtkosten in die Hansestadt bestreiten und auch diese Beträge waren nicht unerheblich. Nun – wenn es ganz eng wurde, konnte ich zeitlebens auf die Unterstützung meiner Familie bauen, was mir in der Folgezeit auch noch einige Male finanziell den Kopf retten sollte. Eine Lösung auf Dauer konnte das jedoch nicht sein.
Der Job als Hörgeräteakustiker machte tatsächlich Spaß. Auch wenn es in diesem Beruf meist ältere Menschen waren, mit denen ich zu tun hatte, konnte ich sehr gut damit umgehen und hatte viel Freude an der Arbeit mit meinen »Patienten«.
Die Leute hörten mir zu, ließen sich von mir beraten und schenkten mir ihr Vertrauen. Und am Ende bedankten sie sich auch noch bei mir, weil meine Arbeit ihnen ein großes Stück Lebensqualität zurückgeben konnte. Die Zeiten, in denen ich zurückhaltend war und ein Problem damit hatte, auf Menschen zuzugehen und mit ihnen zu kommunizieren, schienen endlich vorbei zu sein.
Das neu gewonnene Selbstbewusstsein machte mich immer souveräner und ich wurde in dem, was ich tat, immer besser. Zweimal im Jahr musste ich dann zur Ausbildung an die Fachhochschule für Hörakustik in die Stadt Lübeck. Dort lebte man dann im Grunde für einige Wochen in einem Internat zusammen mit allen anderen Schülern, die diesen Beruf lernen wollten, und bekam den notwendigen Theorieteil beigebracht. Für mich war diese Wohnsituation nichts Neues. Irgendwie erinnerte es mich ein wenig an die Bundeswehr – nur ohne jede Schreierei im Morgengrauen.
Wir lebten in diesem Internat in Sechserzimmern. Die Jungs waren alle in Ordnung und es bedurfte in dieser Welt keiner Muskelprotze, die sich ihre Mitbewohner zu Untertanen machen wollten. Einer dieser Kollegen hatte sogar regelmäßig seine Gitarre dabei und spielte das Instrument in jeder freien Minute. Unser Zimmer wurde in dieser Zeit somit häufig vom Hausmeister besucht, der uns auf die nächtliche Ruhestörung hinweisen musste, wenn die Sessions mal wieder zu laut geworden waren.
Während einer Mittagspause dann spielte mein Zimmerkollege mal wieder auf seiner Gitarre herum und meinte plötzlich: »Komm’, sing du den Refrain und ich die Strophe des Liedes.« Ich weiß noch ganz genau, dass ich überhaupt keine Zeit hatte, um über seine Aufforderung nachzudenken, weil der Kerl sofort mit dem Song startete. Und als der Refrain anstand, sah er mich mit großen Augen an. Ich hatte zuletzt im Kirchenchor gesungen, fühlte mich überdies eher in der Instrumentalmusik zu Hause und war somit auf ein grauenhaftes Fiasko vorbereitet. Und dann musste ich während des Singens auch noch lachen …
Als das Stück zu Ende war, meinte der Kollege lapidar, dass ich eigentlich ganz gut singen würde. Ich war sprachlos und dachte nur: Hey, das hat Spaß gemacht!
Dieser eine kurze Moment war es – das weiß ich heute –, der mich wieder zurück zur Musik brachte und mich veranlasste, darüber nachzudenken, auch meine Stimme einzusetzen. Das Ganze geschah fast beiläufig, aus einer Laune heraus. Ich bin später häufig gefragt worden, wann ich denn mit der Singerei angefangen hätte. Jetzt, da ich dieses Buch schreibe, wird es mir klar: Es war diese eine Mittagspause in Lübeck. Und dieser eine Satz meines Kollegen …
Heimliche Spielereien
Als die ersten Wochen in Lübeck zu Ende waren und ich die Ausbildung in meinem Betrieb fortführte, hatte ich abends endlich wieder Zeit, neue Lieder zu schreiben. Vor allen Dingen aber hatte ich Lust! Und – zum ersten Mal schaltete ich meine Instrumente mit dem Wunsch ein, Musik mit Gesang aufzunehmen. Hierfür hatte ich mir ein paar Texte auf Englisch ausgedacht, die mir zu meinen Instrumentalstücken eingefallen waren, und nahm ein einfaches, bis dahin nie benutztes Mikrofon, um die ersten Stücke mit Gesangspassagen aufzunehmen.
Ich experimentierte im Grunde nur herum und zu einem wirklichen Ergebnis kam es an diesem
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