Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
auch nicht geläufig.
Als Kind der 80er mit einer ordentlichen Plattensammlung konnte ich natürlich schon nachvollziehen, in welche Richtung Clint und Peter dachten. Mir gefiel zu jener Zeit die Musik von den Sisters of Mercy oder The Damned und gerade von The Damned hatte ich eine Platte, auf deren Cover Grabsteine und Friedhöfe zu sehen waren. Allerdings hatte ich das alles eigentlich nie mit meiner Musik in Verbindung gebracht.
Für mich gab es einfach nur Musik, die ich gut fand oder eben nicht. Etiketten oder Stile interessierten mich nicht. Wenn Clint und Peter sich über Musikrichtungen unterhielten, hatte ich oft kein Wort von dem verstanden, was sie da sagten. Ich hatte schlichtweg nie darauf geachtet und mir schon gar keine Gedanken zu diesem Thema gemacht. Aus Respekt vor dem, was Clint schon als Musiker erreicht hatte, nahm ich seine Ideen einfach an und war offen für alles, was letztlich dabei herauskommen sollte. Schaden konnte mir das alles nicht – so viel schien mir in diesen Tagen klar zu sein. Wenn all das notwendig war, um einen Plattenvertrag zu bekommen, warum hätte ich mich denn dagegen wehren sollen?
In den folgenden Tagen versuchte ich alles zu besorgen, was zu dem Thema der Fotosession hätte passen können: Zylinder, Umhang, Schwert. Die Sache kam mir vor, als würde ich Karnevalsvorbereitungen treffen, und mit der Zeit fing das Ganze sogar an, mir Spaß zu machen. Ich dachte schlichtweg: Wenn ich mich schon auf so etwas einlassen würde, dann wenigstens einigermaßen richtig.
An einem Samstag schließlich stand das erste Treffen mit der Fotografin an, die Clint ausgesucht hatte. Ich transportierte also meine Utensilien durch die Straßen und ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich – ein riesiges Schwert unterm Arm – von Autofahrern und Passanten angestarrt wurde. Wer sich an diese bizarre Szene persönlich erinnern kann: Das war ich damals – als »Graf Dracula« unterwegs zu meiner Fotosession.
Bei der Fotografin angekommen, wurde rasch besprochen, wie und wo das Shooting ablaufen sollte. Ich muss gestehen, dass ich das Gespräch ab einem bestimmten Zeitpunkt sogar genießen konnte, drehte sich doch alles nur um mich und mein Bild, das ich nach außen hin abgeben sollte. Während die Fotografin ihre Vorstellungen darlegte, wurde ich bereits probehalber von deren Bruder, der mir als Visagist vorgestellt wurde, geschminkt.
Er fing an, mir allerhand Pasten, Cremes und Farben ins Gesicht zu schmieren, und erklärte dabei auch immer, wofür das Ganze gut sei. Dann knetete er mir kiloweise Pomade in die Haare, während die anderen sich immer mal wieder zu mir umdrehten und meine Verwandlung kritisch kommentierten.
Da ich nicht vor einem Spiegel saß, konnte ich während dieser Zeit noch nicht einmal erahnen, was dieser Visagist aus mir machte, und als ich dann nach einer guten Stunde endlich mein Spiegelbild sehen konnte, wusste ich nicht, ob ich laut loslachen oder einfach nur heulen sollte. Ich sah aus wie eine Mischung aus einer Vogelscheuche und einem Klischee-Papagei. Man einigte sich schließlich darauf, bei der Session doch ein bisschen weniger von allem zu verwenden, und vor allem: Es sollte düsterer wirken – Dracula war schließlich kein Clown.
Meine Kopfhaut hatte sich in der Zwischenzeit von der Pomade hellrot entzündet und brannte, als hätte mich jemand mit einem Winkelschleifer behandelt, gleichwohl fiel ich an diesem Abend wie tot ins Bett und wurde – da das Shooting zum Sonnenaufgang geplant war, gleichsam mitten in der Nacht schon wieder von meinem Wecker aus dem Schlaf gerissen.
Wenn ich mir die Fotos heute, viele Jahre später, ansehe, frage ich mich, warum ich damals nicht gesagt habe, wie geschmacklos ich verunstaltet war und warum ich das Ganze überhaupt mitgemacht hatte. Vielleicht lag es mal wieder daran, dass ich es einfach nicht besser wissen konnte.
Ich hatte einen knallroten Umhang an, war geschminkt wie Graf Dracula in einem C-Movie, hielt ein Schwert in der Hand, das beinahe mannsgroß war, stand völlig desorientiert an irgendeinem Wegesrand und wartete auf den Sonnenaufgang. Lächerlich!
Um mich herum hüpfte unaufhörlich der Maskenbildner, der nur noch darauf achtete, dass die Schminke nicht noch mehr an mir herunterlief, und ermahnte mich ständig, dass ich mich nicht am Kopf kratzen sollte – und der juckte, als ob ein kompletter Ameisenstamm in meinem Haupthaar leben würde.
Darüber hinaus zupfte der Stylist
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