Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
hatte ich das Gefühl, einen kleinen Schritt weitergekommen zu sein, aber gleichzeitig war ich wieder in den unseligen Zustand des Wartens versetzt. Wenn ich von der Arbeit nach Hause kam, starrte ich wie hypnotisiert auf meinen Anrufbeantworter und war umso enttäuschter, wenn keine Nachricht darauf zu finden war.
Mitunter rief ich sogar selbst bei mir zu Hause an, um zu testen, ob das Gerät auch wirklich funktionierte. Und das Ergebnis war niederschmetternd: Der Anrufbeantworter lief – an ihm hatte es also nicht gelegen …
Die Warterei schien kein Ende zu nehmen, bis das Telefon eines Tages dann doch klingelte und Clint fragte, ob wir uns noch einmal treffen könnten. Ich stimmte natürlich in Erwartung guter Neuigkeiten zu – und wurde bitter enttäuscht. Peter und Clint erklärten mir lediglich, dass sie noch keine Möglichkeit darin sehen würden, einen Plattenvertrag für mich zu bekommen.
Um dies zu erreichen, sei es zunächst einmal notwendig, musikalisch noch ein paar Dinge auszuprobieren – weiblicher Chorgesang beispielsweise –, um die Songs noch etwas »runder« zu machen. Peter und Clint hatten außerdem vorgeschlagen, die Arrangements der einzelnen Songs zu überarbeiten und andere, neue Fotos zu machen. Danach würden sie dann, so wie ich es auch versucht hatte, erneut bei Plattenfirmen vorstellig werden – schließlich habe Clint ein paar gute Kontakte, die man angehen könnte. Ich war einverstanden – zu verlieren hatte ich ohnehin nichts mehr.
Ich befand mich zu jener Zeit also in einer musikalischen Sackgasse. Ich hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um einen Plattenvertrag zu bekommen, und meine Bemühungen waren vergebens.
Zu allem Unheil stand ein weiterer Berufsschulblock an, der in der Gesellenprüfung münden sollte. Ich musste also für mehr als zwei Monate nach Lübeck, was mich in diesem Augenblick vollkommen frustrierte. Clint und Peter waren indes der Meinung, dass diese »Auszeit« im Grunde gerade im richtigen Moment käme. Während meines Lübeckaufenthaltes könnten sie verschiedene Dinge planen und organisieren und wenn ich dann zurückkäme, könnten wir alle gemeinsam sofort durchstarten. Ein guter Plan, der auch mich überzeugen konnte und es mir außerdem möglich machte, mich in aller Ruhe auf meine Abschlussprüfung vorzubereiten.
Und dann überkamen mich vor meiner letzten Reise nach Lübeck doch noch gemischte Gefühle. Einerseits war ich froh darüber, schon bald die Ausbildung abgeschlossen zu haben, andererseits hatte ich mich in der Hansestadt immer sehr wohlgefühlt. Außerdem hatte ich – allen guten Plänen zum Trotz – den Kopf natürlich voll mit meiner Musik und ich war sehr gespannt, was noch alles in musikalischer Hinsicht passieren würde, wenn ich wieder zurückkehrte. Diese Gedanken musste ich jedoch weit von mir schieben, weil dieser Abschluss am Ende auch meine berufliche Sicherheit für die kommenden Jahre gewährleisten konnte. Ich musste da nun irgendwie durch, denn meinem Traum vom Berufsmusiker war ich realistisch betrachtet noch nicht entscheidend nähergekommen.
Und irgendwann war es dann auch so weit. Ich stand vor einem Raum und wartete darauf, hineingerufen zu werden und zu erfahren, ob ich bestanden hatte oder nicht. Dieses Schauspiel werde ich nie vergessen. Aus dem Zimmer kamen immer wieder Studienkollegen mit unterschiedlichen Stimmungslagen heraus. Der eine freute sich, weil er bestanden hatte, der nächste weinte, weil er durchgefallen war. Dieser ganze Prozess dauerte mehrere Stunden und die Warterei machte mich fertig. Wenn mich heute jemand fragt, wann ich denn das erste Mal Lampenfieber gehabt habe, gibt es nur eine ehrliche Antwort: Damals in Lübeck, vor diesem Schulraum!
Irgendwann wurde dann endlich mein Name aufgerufen. In der Zwischenzeit war es mir fast schon gleichgültig geworden, ob ich nun bestanden hatte oder nicht. Ich wollte einfach von dieser Qual des Wartens erlöst werden und betrat wie ferngesteuert diesen Raum. Als ich aufblickte, sah ich in das lächelnde Gesicht einer Prüferin, die mir die Hand entgegenstreckte und mich zu meiner bestandenen Prüfung beglückwünschte. Der Junge, der Musiker werden wollte, war nun ein Hörgeräteakustiker.
Bei der Verabschiedung von meinen Zimmerkollegen wurden noch einmal Telefonnummern ausgetauscht. Man vereinbarte, dass man in Kontakt bleiben wollte, und wusste doch insgeheim, dass diese Zeit zu Ende war und die Freundschaften nur unter diesen
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