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Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)

Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)

Titel: Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unheilig
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und dachte ständig nur darüber nach, wie ich das Lied einsingen und fertig produzieren würde. Demzufolge schlief ich viel zu spät ein und erntete am folgenden Tag die enttäuschten Blicke meines Filialleiters. Es wurde immer deutlicher: So konnte es auf Dauer nicht weitergehen.
    In den Tagen danach kam ein weiteres Lied hinzu – »Discover The World«. Ich brannte die drei Titel auf eine CD, hörte sie mir in jeder freien Minute an und konnte an nichts anderes mehr denken. Mein Chef hatte mir in der Zwischenzeit zu verstehen gegeben, dass ich mich zwischen meiner Arbeit und der Musik entscheiden müsse. Beides zusammen, das sei ihm klar geworden, wäre nicht zu vereinbaren.
    Und dann kam auch noch ein Auftrag von Clint herein. Es muss etwa 1998 gewesen sein. Er hatte zu dieser Zeit einen Song für einen Werbespot gemacht und der Titel lief den ganzen Tag hoch und runter. Die Brauerei musste von dem Erfolg dieses Stücks derart erstaunt gewesen sein, dass sie Clint angeboten hatten, ein komplettes Album finanziell zu unterstützen. Und Clint wiederum fragte mich, ob ich für diese Platte einen Song komponieren wollte.
    Und schon hatte ich das perfekte Alibi, mich erneut voll und ganz auf die Musik zu konzentrieren, denn dies war schließlich keine private Spielerei mehr – das war so etwas wie ein Job. Und Jobs musste man schließlich erledigen …
    Ich stürzte mich wie ein Verrückter in die Arbeit und hatte innerhalb weniger Tage sechs oder sieben Titel zusammen, die ich an Clint übergab. Dann ging es für zwei Tage in ein Studio in Düsseldorf, und was ich dort zu sehen bekam, überstieg all meine Vorstellungskünste. Allein das Mischpult kostete etwa 1,6 Millionen Mark. An der Wand angelehnt standen Dutzende von Keyboards, die keiner zu brauchen schien. Ich sah die Instrumente, wie sie schludrig vor sich hingammelten, und hätte für jedes einzelne eine Verwendung gehabt. Ich wusste, welche Sounds sie generieren konnten, und ich wäre auf die Knie gefallen, wenn ich nur eines dieser Teile zu Hause in meinem Amateurstudio gehabt hätte.
    Am Mischpult saß ein Brite, der offenbar schon als Toningenieur mit Peter Gabriel gearbeitet hatte, unzählige irrsinnig wichtig scheinende Menschen schwirrten über die Gänge und versuchten, bei all dem Stress, den sie offenkundig hatten, weiter cool zu wirken. Und mittendrin der kleine Graf, der in einer Kleinstadt Hörgeräte verkaufte und von der großen Musikkarriere träumte.
    Das Studio war verdunkelt und aus mutmaßlich kreativen Beweggründen mit Räucherstäbchen vollgestopft – all dies wirkte einerseits ein wenig affektiert auf mich, gleichzeitig lag aber auch eine Professionalität in dem Raum, die ich bis dahin nie erlebt hatte – die man aber bei einem Produktionsbudget von 300 000 Mark eigentlich auch erwarten durfte.
    Mein Titel wurde von Berufsmusikern der höchsten Kategorie eingespielt und der britische Soundingenieur schlug sogar vor, dass mein »Hands Across The Great Devide« zur Singleauskopplung taugen würde, was mich natürlich unendlich stolz machte. Aber – wie das so ist – ausgewählt wurde natürlich ein Titel, bei dem der Produzent mitgeschrieben hatte, schließlich wollte er die zu erwartenden Tantiemen nicht an einen Amateur verschenken, der unter all diesen Profis eigentlich gar nichts verloren hatte.
    Nun, die Geschichte ist schnell zu Ende gebracht: Aus dem Album ist komischerweise nie etwas geworden. Wie ich hörte, wurde es in einer Auflage von 1500 gepresst, es gab keinerlei Promotion seitens der Plattenfirma und das Ding wurde auf dem schnellsten Wege wieder versenkt. In etwa so wie das viele Geld von dieser Brauerei.
    Ich indes machte zu Hause weiter und hatte in der Zwischenzeit »My Bride Has Gone«, »Skin«, »Discover The World«, »Armageddon« und »Ikarus« geschrieben – und zwar in sehr kurzer Zeit. Ich war selbst davon überrascht, wie schnell mir das alles von der Hand ging, aber ich war dabei leider auch im Begriff, meinen Job zu riskieren. Und ohne diesen Job würde ich keine Musik mehr machen können …
    Also setzte ich mir ein Limit von zwei bis drei Stunden, die ich maximal nach der Arbeit im Studio verbringen durfte. Und natürlich die Wochenenden – die sollten ganz der Musik dienen. Nur wenn ich mich an diese Vorgaben hielte, so dachte ich, würde ich vielleicht doch beides vereinbaren können. Und wenn nicht, wäre beides weg – mein Job und meine Musik.

Gottvertrauen
    Die folgenden Wochen

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