Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
gehen – als Opener für zwei Bands aus der Gothic-Szene. Und so machten wir uns am 20. Februar 2003 auf den Weg zu unserem ersten Auftritt in Nürnberg.
Unser Kleintransporter hatte bei dieser Reise eine Heizung, Sitze, die der Straßenverkehrsordnung entsprachen, und erinnerte nicht im Entferntesten an das Selbstmördergeschoss meiner ersten Band. In Nürnberg angekommen, erklärte mir der Sänger einer der Hauptbands bei der ersten Begrüßung, dass ich ja gar kein richtiger Grufti sei, da ich völlig normale Klamotten tragen würde.
Ich schaute ihn etwas verwundert an und merkte, dass dies kein Witz war, sondern der frühe Versuch, mir zu zeigen, wer hier Herr im Hause war. Nun, das waren eigentlich »Die Unsterblichen« – wie ich sie mal nennen möchte –, denn sie spielten ganz am Schluss, während die Combo dieses »stilsicheren« Sängers an zweiter Stelle auftreten musste. Nachvollziehen konnte ich diesen Spruch nicht. Ich hatte mehrere Stunden im Auto gesessen und da erschien es mir ratsam, nicht in meinem Bühnenoutfit zu reisen. Der »Graf« war ein Teil meiner Bühnenshow – im Auto war ich ein Musiker auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz. Und ganz abgesehen davon: Fährt ein Theaterschauspieler eigentlich auch als Mephisto oder King Lear verkleidet quer durch die Republik nach Salzburg oder trägt er im Wagen womöglich doch vielleicht nur eine Jeans?
Den Sänger der Hauptband hörte ich bereits, bevor ich ihn sah. Er gab lautstark Anweisungen und erklärte irgendwelchen Leuten, wen sie da vor sich hatten. Plötzlich stand er vor mir und sagte: »Ah, unser Opener. Ihr seid die, die nur zu dritt auf der Bühne stehen – wie niedlich.« Und dann lachte er laut über seinen gelungenen Scherz und zog weiter.
Gut, so wusste ich wenigstens schnell, dass es hier eine klare Hierarchie gab. An der Spitze unserer kleinen Musikerpyramide standen »Die Unsterblichen«, dann kam der Mittelact und am Ende der Nahrungskette, ganz unten – als Bodensatz – folgte Unheilig. Diese Rangfolge erinnerte mich ein wenig an die Dienstränge bei der Bundeswehr, aber ich nahm es sportlich, schließlich wollte ich nur eines: spielen!
Und wir bekamen eben nur, was von dem Kuchen übrig blieb. An diesem ersten Abend zum Beispiel die letzten fünf Minuten vor dem Einlass für unseren Soundcheck. Wir checkten also das Equipment, während das Publikum bereits in die Halle kam. Wir nahmen unser »Schicksal« hin und amüsierten uns ein wenig über das Verhalten der anderen Bands. Sie fühlten sich wie Stars und glaubten, sich wie Stars verhalten zu müssen. Blieb nur die Frage, ob die wirklich Großen so ein Gebaren tatsächlich nötig hatten …
Dann war die Bühne für unseren ersten Auftritt frei. Licky legte mit seinem Gitarren-Intro los und – nichts! Kein Ton. Die Gitarre – welch ein Zufall – war nicht im Verstärker eingesteckt, obwohl beim Soundcheck alles noch in Ordnung war. Aber der Fehler war schnell behoben und wir konnten unsere halbe Stunde spielen.
Und, was soll ich sagen – der Auftritt war toll! Trotz aller Widrigkeiten hatten wir einfach Spaß und wurden vom Publikum sogar zu einer Zugabe aufgefordert, was uns alle wirklich freute. Wir wussten, dass es bei dieser Tour Probleme und Dinge geben würde, auf die wir achten mussten. Wir schienen in einem Haifischbecken gelandet zu sein, aber wir waren fest entschlossen, uns die Freude nicht nehmen zu lassen.
Und so ging in den folgenden Tagen die Reise weiter quer durch Deutschland und es passierten ständig merkwürdige Dinge, die eigentlich nur auf Sabotage schließen lassen konnten. Hier setzte die Musik aus, dort waren die Gitarrenkabel herausgezogen, dann stimmte etwas mit Hennings Keyboard nicht – im Grunde mussten wir bei jedem unserer Auftritte auf alles gefasst sein. Beweisen konnten wir nichts, aber wir hatten unsere Augen in jeder Situation offen.
Ärgerlich war bei dieser Tour vor allem, dass wir Das 2. Gebot spielten, die Platte aber noch nicht erhältlich war. Bei den Autogrammstunden fragten die Fans nach dem Album und ich musste ihnen erklären, dass es erst in zwei Monaten herauskommen sollte. Aber den Leuten schien unsere Musik zu gefallen und jeder unserer Auftritte wurde zu einem kleinen Highlight des Abends.
Die beiden anderen Bands ließen uns weiter deutlich spüren, dass wir im Grunde nur die dritte Wahl waren. Das wurde besonders deutlich, als es an einem Veranstaltungsort nur zwei Backstage-Räume gab und wir
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