Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
uns in einem unbeheizten Flur auf unseren Auftritt vorbereiten mussten. Es wäre sicher kein Problem gewesen, uns zum Kleiderwechsel für ein paar Minuten in einen der Räume zu lassen, aber es war nun mal so.
Ich indes spürte nach einigen Auftritten, dass eine Erkältung im Anflug war und meine Stimme schon recht angeschlagen klang. Die Tour war schon fast zu Ende, aber in Darmstadt ging dann plötzlich nichts mehr. Mit Husten, Schnupfen, Heiserkeit und Schüttelfrost packte ich mich um die Mittagszeit ins Bett und schlief bis zum folgenden Morgen durch. Ich war zwar immer noch krank, fühlte mich jedoch ein wenig besser und fasste den Entschluss, am Abend wieder aufzutreten. Meine Stimme hörte sich wie eine Motorsäge an und in meiner Kehle kratzte es gewaltig. Der hohe Part von »Schutzengel« wurde in dieser Zeit zu meiner Angstpassage, aber das Publikum schien mir diese Fehler zu verzeihen und wir absolvierten noch ein paar Konzerte.
Ich ging trotz meiner Erkältung weiterhin vor und nach den Shows zu den Fans, stand in kalten, zugigen Ecken und wurde in dieser Zeit naturgemäß nicht gerade gesünder. Mein größtes Problem war jedoch, dass ich nach der Show kaum Möglichkeiten hatte, meine Klamotten zu wechseln. Ich hätte mehrere Garnituren gebraucht, was ich mir damals jedoch nicht leisten konnte. Und so kam es häufig vor, dass ich die nassen Sachen vom Vortag tragen musste – und das war nun wirklich alles andere als angenehm oder gesund.
Ich weiß noch genau, wie ich damals darüber nachdachte, künftig ein Outfit für die Bühne zu wählen, das angenehmer zu wechseln wäre. Ich bin zwar durch diese Tour krank geworden, aber es war doch alles bis auf diesen einen Auftritt noch mal gut gegangen. Und letztendlich waren viele Menschen auf unsere Musik aufmerksam geworden. Ein weiterer Schritt in die Zukunft!
Zelluloid
In der Zwischenzeit war endlich Das 2. Gebot erschienen und unglaublich gut bei den Fans angekommen. Die Reaktionen der Fans waren wunderbar und wir übereingekommen, dass wir die Fans mit einem Voting entscheiden lassen wollten, welcher Titel als Single ausgekoppelt werden sollte. Die Wahl fiel eindeutig aus: »Schutzengel«.
Ich konnte zu dieser Zeit feststellen, dass ich meine Schulden, die ich bei Markus und Ollie sowie bei meiner Familie hatte, bereits ein wenig tilgen konnte. Der Betrag war zwar noch immer hoch, aber ich sah, dass es weniger wurde, und das motivierte mich umso mehr.
Ich werde nie vergessen, wie ich meinem Bruder das geliehene Geld zurückgeben konnte. Ich gab ihm den Umschlag, bedankte mich und nahm ihn fest in meine Arme. Er sagte nur: »Kein Problem, ich bin dein Bruder.« Ich erinnerte mich wieder an alles, was gewesen war, und ließ die Vergangenheit mit einem Lächeln an mir vorüberziehen.
In dieser Phase kam die Idee, das kommende Album Zelluloid zu nennen. Es sollte eine Art Rückblick auf meine Vergangenheit werden – der Film meines Lebens. Während die meisten Texte des 2. Gebots eher fiktiv waren, machte ich mich bei diesem Album daran, mein Leben und meine Erfahrungen als Grundlage für die Songs zu nehmen. Und dabei entstanden Titel wie »Zauberer«, der von den Erfahrungen mit meinem ehemaligen Produzenten handelte, oder das Stück »Auf zum Mond«, welches meinen Drang, erfolgreich zu sein, beschrieb.
In »Freiheit« versuchte ich zu verarbeiten, dass ich mich häufig nicht getraut hatte, meine Meinung zu sagen. Und eines der schönsten Lieder, die ich zu dieser Zeit schrieb, war »Mein König«. Ich komponierte es in Gedenken an meinen Großvater. Er war zwar schon einige Jahre zuvor verstorben – allerdings erkannte ich erst zu dieser Zeit, was er mir einst bedeutet hatte. Ich hatte nie sehr viel Kontakt zu ihm und war als Kind eher ungern zu ihm gegangen. Und nun spürte ich, dass dies ein schwerer Fehler gewesen sein könnte, und musste zum ersten Mal in meinem Leben beim Schreiben und Einsingen eines Liedes weinen.
Es war ein neues, allerdings auch sehr reinigendes Gefühl. Ich sah es als kleine Entschuldigung und da ich an Gott glaube, stellte ich mir vor, dass er es nun auch hören konnte, selbst wenn er schon seit langer Zeit tot war.
Die Menschen um mich herum bekamen zu dem damaligen Zeitpunkt eine ganz neue Bedeutung. Ich merkte, wie wichtig sie waren – besonders die Familie und die Musik halfen mir dabei, diese Phase des Reifens besser zu verarbeiten. Gerade »Mein König« dürfte in dieser Hinsicht eines der wichtigsten
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