Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
Appelle an die Fans, die sich bis zu diesem Zeitpunkt auf unserer Homepage registriert hatten, bei Viva für uns anzurufen. Zusätzlich nervte ich tagelang alle meine Freunde und auch meine Familie, doch bitte für uns zu voten, was nicht gerade billig war, schließlich kostete ein Anruf damals 50 Cent.
Und irgendwann war es dann endlich so weit. Das Lied »Freiheit« stand tatsächlich zur Wahl und wir konnten anrufen. Die Sendung dauerte etwa eine Stunde und nach ein paar Minuten war es dann auch so weit, dass der »Freiheit«-Videoclip gezeigt wurde. Ich weiß noch ganz genau, wie ich zu Hause saß und völlig aufgeregt alle anrief, die ich zu dem Zeitpunkt telefonisch erreichen konnte.
In den Tagen nach dieser Ausstrahlung konnte ich jedoch feststellen, dass nicht jeder diese Sache positiv aufgenommen hatte. Im Gästebuch der Unheilig-Internetseite gab es die ersten kritischen Einträge, die davon handelten, dass wir uns verkauft hätten, Unheilig nun kommerziell werden würde und sie völlig enttäuscht von mir seien. Die Musik hätte nach dieser Geschichte bei Viva keinen Reiz mehr und sie würden nun alle gesammelten Alben verkaufen. Und tatsächlich – ich stöberte ein wenig bei Ebay herum und fand eine ganze Menge Fans, die meine Platten angeboten hatten, und ich verstand die Welt nicht mehr.
Warum machte man so etwas?, fragte ich mich. Meine Musik war nach der Ausstrahlung bei Viva nicht besser, aber vor allem auch nicht schlechter geworden. Depeche Mode oder die Sisters of Mercy hätten nicht so viele Menschen gekannt, wenn sie nicht irgendwann einmal im Fernsehen gewesen wären.
Ich verstand es damals nicht und ich kann es bis heute nicht verstehen. Warum wandten sich Leute von meiner Musik ab, nur weil sie ein Mal im Fernsehen gelaufen war? Ich war doch mir, meiner Denkweise und meiner Musik dennoch treu geblieben!
Zu jener Zeit konnte ich nicht ahnen, dass ich mich mit diesem Thema noch häufiger auseinandersetzen müsste. Ich freute mich damals einerseits über die Ausstrahlung des Videos, war andererseits aber auch sehr enttäuscht, dass sich einige Menschen von meiner Musik abgewendet hatten.
Gleichwohl – in den folgenden Monaten stand der Titel weiterhin bei Viva zur Wahl und wurde immer wieder von vielen Fans gewählt, sodass er nun unzählige Male in dieser Sendung gespielt werden konnte. Eine Genugtuung, schienen sich doch viele Fans eher darüber sehr zu freuen, meine Musik auch im Fernsehen erleben zu können.
Nun, die Sendung Get the clip wurde irgendwann eingestellt. Die letzte Ausstrahlung hatte ich sogar noch gesehen und ich freute mich sehr, dass der finale Titel, der damals in dieser Sendung gezeigt wurde, »Freiheit« hieß …
Moderne Zeiten
Ich hatte in der Zwischenzeit schon wieder begonnen, mich mit einem neuen Album zu beschäftigen. Da ich Zelluloid musikalisch toppen wollte, beschäftigte ich mich in den folgenden Monaten nur noch mit Sounds und Rhythmen, ohne dabei wirklich neue Titel zu komponieren.
Ich wollte etwas Modernes, etwas, das jeden Menschen umgab und was sich vor allem auch durch einen neuen Sound ausdrückte. Ich hatte einige Ideen für neue Konzepte und irgendwann war das Lied »Horizont« da. Die Thematik befasste sich mit der modernen Welt und so fiel mir irgendwann der Albumtitel Moderne Zeiten ein. Ich begann, einfach über alles zu schreiben, was mich umgab. Es flossen – wie bei Zelluloid – viele Emotionen und Gedanken in die Lieder ein und somit waren die Songs erneut eher autobiografischer Natur. In den folgenden Wochen schrieb ich Titel für Titel und kapselte mich hierfür fast vollständig von der gesamten Außenwelt ab. Kontakt zu meinem Umfeld hielt ich nur noch per Telefon und Mails. Warum das damals so extrem war, kann ich heute nicht sagen. Aber vermutlich hatte ich diese Abgeschiedenheit ganz einfach gebraucht.
Dieses extreme Abschotten brachte mir eine völlig neue Freiheit, mich ausschließlich mit meiner Musik zu beschäftigen und sonst mit nichts anderem. Ich dachte viel über alles nach – was mich berührte, welche Ängste ich hatte und wie ich mich selbst in meiner Umgebung sah. Mit all diesen Gedanken, die mir durch den Kopf geisterten, stand ich morgens auf, ging mit ihnen ins Studio und abends oder oft auch erst spätnachts wieder mit den Gedanken ins Bett. Alles andere empfand ich nur noch als nebensächlich.
Die Ideen zu den Liedern umarmten mich geradezu und ich versank fast vollständig in den neuen Liedern.
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