Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als Mutter streikte

Als Mutter streikte

Titel: Als Mutter streikte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
Vom Netzwerk:
mich nur, wie wir ihn in den Gasherd reinkriegen sollen. Vielleicht kannst du den alten Kohlenherd anmachen - da paßt ein ganzer Ochse hinein», meinte Vater.
    Der alte schwarze, riesige und rostige Herd sah wenig vertrauenerweckend aus. «Wann haben wir ihn denn zuletzt benutzt?» fragte ich.
    «Bei deiner Taufe, glaube ich. Damals hat deine Mutter Kuchen groß wie Wagenräder darin gebacken.»
    «Vater», sagte ich einschmeichelnd. «Ich habe dir doch neulich gesagt, ich werde hierbleiben, solange die beiden Kleinen mich brauchen?»
    «Ja, aber natürlich weiß ich das. Du bist ja auch mein gutes Mädchen. Zünde mal etwas Papier auf dem Rost an, damit wir sehen, ob der Schornstein frei ist.»
    «Ja. Aber so leid es mir tut, ich kann mein Versprechen nicht halten, Vater. Clifton geht nach Somerset, und ich gehe mit.»
    «Wann denn?»
    «Im Frühjahr.»
    «Na also, bis dahin haben wir ja noch reichlich Zeit, darüber zu reden. Jetzt hol mal etwas Kleinholz aus dem Keller.»
    «Ich hab den Pfarrer gebeten, das Aufgebot zu verkünden», sagte ich hartnäckig. «Das will er aber nicht. Er sagt, Mutter muß auch ihre Einwilligung dazu geben.»
    «Sehr vernünftig, du bist ja auch noch viel zu jung. Hier - hier ist eine alte Zeitung. Nun brauchen wir bloß noch ein paar Scheite Holz.»
    «Ich möchte aber, daß du den Pfarrer jetzt gleich anrufst, Vater.»
    «Also, nun laß doch erst mal Weihnachten vorbei sein. Einen Pfarrer kann man nicht ausgerechnet an Heiligabend anrufen.»
    Ich holte Holz aus dem Keller, legte ein paar Späne auf zerknülltes Zeitungspapier und hielt ein brennendes Streichholz daran.
    Aber der Schornstein zog nicht. Der Qualm drang in die Küche. Sogar aus dem Gasherd stieg er in kleinen, dünnen Schwaden auf. Wir mußten das Fenster und die Küchentür nach draußen öffnen. Vater lief hustend hinaus.
    «Du mußt den Schornsteinfeger anrufen», rief er.
    «Aber doch nicht an Heiligabend! Das ist doch wohl nicht dein Ernst, Vater.»
    «Na gut, aber dann gleich morgen früh.»
    Auf dem Hof stand ein Besen. «Wir wollen’s mal damit versuchen», sagte Vater. «Vielleicht hat sich etwas im Schornstein festgesetzt.»
    Wir brachten mit dem Besen einen Regen von Mörtel herunter und ein altes Vogelnest. Der Rauch zog weiter in dicken Schwaden durch die Küche.
    «Der Puter wird eben vorher noch ein bißchen geräuchert», scherzte ich. «Ich gehe jetzt und verbinde dich mit dem Pfarrer.»
    Ich schob Vater in die Diele, wählte die Nummer und drückte ihm den Hörer in die Hand. Dann lief ich die Treppe hinauf und rief: «Ich höre oben mit!»
    Aber Vater rief mir nach: «Vi! Bleib ja von dem Apparat oben weg! Ich will ohne Zuhörer mit ihm sprechen!»
    Als ich das Klicken des aufgelegten Hörers hörte, lief ich nach unten. «Also -?»
    Vater sah leicht betreten aus. Er schüttelte den Kopf.
    «Aber es muß doch einen Ausweg geben.» Allmählich war ich der Verzweiflung nahe. Und dann fiel mir auf einmal das Naheliegendste ein. «Also, ich bin wirklich zu töricht», sagte ich. «Clifton ist doch Sekretär des Kirchenvorstands. Er wird ganz bestimmt wissen, was zu tun ist.»
    «Ja, das wird er wohl wissen», sagte Vater und warf mir einen seltsamen Blick zu. «Warum haben wir daran bloß noch nicht gedacht?» Als wir in die Küche kamen, fing er wieder an zu husten. «Aber erst einmal müssen wir uns wohl um den verdammten Vogel hier kümmern.»
    «Gibt’s denn heute überhaupt was zum Lunch?» fragte Vater verzweifelt.
    «Schinken», sagte ich. Je eher wir aus dem Qualm herauskamen, um so besser.
    Zehn Minuten später saßen wir alle im Eßzimmer und stopften ohne Begeisterung kaltes Fleisch in uns hinein. Draußen riß ein scharfer Wind an den Bäumen, und immer wieder drückten Regenböen gegen die Fenster. Das Feuer im Kamin des Eßzimmers qualmte ebenfalls, aber nicht so demonstrativ wie das in der Küche. Niemand sagte etwas, aber man merkte, daß alle das gleiche dachten: Mutter war sechstausend Meilen weit weg, das Haus kalt und unfestlich, der Puter konnte nicht gebraten werden, und alle Welt schien gegen meine Heirat mit Clifton zu sein.
    Mir traten die Tränen in die Augen. Perse, der nie etwas entging, wollte gerade den Mund öffnen, um eine ihrer üblichen Bemerkungen darüber zu machen. Aber sie sprach sie nicht aus, denn Vater zog unsere Blicke auf sich. Er sah mit weit aufgerissenen Augen starr und entgeistert zur Terrassentür, als hätte er draußen die vier Apokalyptischen Reiter

Weitere Kostenlose Bücher