Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)
SONNE NICHT.
UND WAS MACHEN WIR JETZT?
Mit der Ankunft eines neugeborenen Kindes stellt sich ein dauerhafter Zustand der angespannten Langeweile ein. Einerseits gibt es nicht viel zu tun, außer das Kind immer wieder zu füttern und müde zu machen. Da ist nicht viel mit sich verabreden und Leute treffen. Auch die vielen Wochenendunternehmungen, die extra für Familien veranstaltet werden, wie Straßenfeste, Parkfeste, Seefeste, Einkaufscenterfeste oder Nebenstraßenfeste, können mit einem Kleinstkind noch nicht wahrgenommen werden. Schließlich kriegt ein Baby davon nichts mit, und für die Eltern ist es sowieso sturzlangweilig. Trotz all der Langeweile lebt man in einer ständigen Habachtstellung. Seit Sophie da ist, habe ich andauernde Rücken-, Kopf- und Gelenkschmerzen, weil Entspannung so ziemlich das Letzte ist, wofür ich mir Zeit nehme. Jederzeit kann es passieren, dass sie von der Couch runterfällt, sich irgendwas über das Gesicht zieht oder Kleinteile verschluckt. Mit dem Kopf vor den Türrahmen knallt, in der Badewanne wegrutscht, sich die Kacka ins Gesicht schmiert. Alles schon passiert. Uns fehlt nur noch der Standardsturz von der Wickelkommode.
Um diese ständige Anspannung etwas runterzufahren, wollte ich etwas unternehmen. Als ich nach der Geburt endlich wieder richtig vor die Haustür konnte, unternahm ich täglich Streifzüge durch unsere schöne Innenstadt. Ich ging in alle Läden. Zunächst vor allem Klamottenläden. Da war ich sehr bald sehr frustriert, weil mir nichts mehr passte. Außerdem ist shoppen mit einem Kinderwagen, wie mit einem Laster in einer Einbahnstraße wenden zu wollen. Bald schon stürmte ich die Drogeriemärkte der Stadt, wo sich mir eine komplett neue Warenwelt eröffnete.
Meine Streifzüge führten schließlich dazu, dass ich eine ausgewachsene Kaufsucht entwickelte, die mir erst auffiel, als ich ein schlechtes Gewissen hatte, wenn ich mal nichts aus einem Laden mitnahm. Also musste ich einen Ort finden, wo ich dieser Lust frönen konnte, ohne uns dabei in den Ruin zu treiben. Auf keinen Fall wollte ich jemals wieder produktlos vor die Schwelle eines Geschäfts treten. Das Gefühl war unerträglich gewesen. Und so wurde ich zur Dauerkundin im Supermarkt. Ständig ging ich hin, ob ich musste oder nicht, ließ mein weniges Geld dort und hatte auch noch Spaß dabei. Denn hier kaufte ich nicht so offensichtlich nur ein, um einzukaufen. Was ich hier erstand, hatte Nutzen und Wert für die ganze Familie.
Der Supermarkt steht praktischerweise nur wenige Gehminuten entfernt und lächelt mich jeden Tag an. Er sagt: »Komm, komm! Ich kann dir alles geben, was du brauchst. Ich bin dein Freund und Helfer und habe sogar bis zehn Uhr abends geöffnet. Und kein Mensch fragt dich hier, ob du sonst nix zu tun hast.« Ich nannte ihn liebevoll »Magasin«. Er war wirklich immer für mich da. Aber er hatte letztlich doch nicht alles, was ich brauchte.
Die Auswahl war begrenzt, in den Regalen stand einfach immer das gleiche Produkt zwanzigmal nebeneinander. Es gab Tage, da waren manche Regale auch einfach leer. Und solch exotische Sachen wie Tiefkühllasagne gab es gar nicht. Es war einfach schlimm. Magasin enttäuschte mich ein ums andere Mal, und wie bei einem guten Freund hatte ich das Gefühl, mich mal mit ihm an einen Tisch setzen zu müssen, um unser gemeinsames Problem aus der Welt zu schaffen. »Magasin, ich habe dich gern. Aber zumindest den Liter Milch, den ich als absoluten Not-Anti-Langeweile-Kauf bei dir suche, solltest du mir doch geben können.« Doch Magasin war nicht einfach so an einen Tisch zu kriegen, also schrieb ich ihm einen Brief.
Meine Beschwerde war deutlich, aber ich habe keine Menschen schlechtgemacht. Ich bin in Gedanken die einzelnen Regalreihen durchgegangen und habe einfach gesagt, was mir fehlt. Hier die Vanilleschoten, da die Obst- und Gemüsevielfalt und dort die an heißen Tagen gekühlten Softdrinks.
Es war mir ein bisschen peinlich, aber ich habe es trotzdem getan: Während Oscar und Sophie gerade schliefen, ging ich heimlich auf die Magasin-Seite, um dem Kundenservice eine Beschwerde zu schreiben. Das Schlimmste daran war, dass ich meinen Beschwerdebrief tagelang in meinem Kopf gewälzt hatte. So viel Zeit hatte ich. Die Frage, ob ich noch Rang zehn von zehn auf der Coolnessskala belegen würde, trieb mich um. Und die Antwort schien mir klar: Natürlich nicht. Wer das Angebot eines Supermarktes so gut kennt, dass er weiß, was alles fehlt, der
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