Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)
feiern! Dafür können wir einen Weihnachtsbraten und Alkohol (vielleicht auch Saft) zur Verfügung stellen. Eingeladen sind alle Familienteile, die Lust und Kapazität haben, für eineinhalb Tage nach Leipzig zu kommen. Da der Platz bei uns begrenzt ist, würden wir euch bitten, für den Fall, dass ihr kommt, im Hotel einzuchecken. Am besten sagt ihr uns innerhalb der nächsten Woche Bescheid. Wir freuen uns jedenfalls auf eine volle warme Bude – Oscar will unbedingt einen eigenen Riesenweihnachtsbaum aufstellen.«
Ich wartete tagelang auf Antworten aus meiner Familie, zunächst sagte mein Onkel ab. Seine Frau will mit ihrer Mutter zusammen feiern, und ihre Kinder werden am ersten Weihnachtsfeiertag bei deren Vater sein. Kein Problem, dachte ich, vielleicht umso besser, wenn nicht alle da sind. Die Taktik war, alle einzuladen, zu hoffen, dass viele absagen würden, und am Ende wäre nur die Kernfamilie am Tisch versammelt: Omis und Opis.
Doch mit dem Anruf am Montagabend hatte ich wirklich nicht gerechnet. Meine Mutter. Sie will über Weihnachten reden. Es tue ihr leid, aber sie hätten keine Lust, abends um zehn im Hotel vor dem Fernseher zu sitzen. Sie kommen nicht.
Dazu fällt mir erst mal nichts ein. Sie redet sich um Kopf und Kragen. Sie dachte, wir würden auf Kleinfamilie machen wollen und nur der Höflichkeit halber fragen. Unsere Wohnung sei zu klein. So ein Weihnachtsfest sei kein Zuckerschlecken, das sei viel zu schwierig für uns. Sophie sei noch viel zu klein und werde nicht schlafen können. Vielleicht müssten sie an Weihnachten sogar arbeiten. Wir sollten doch lieber zum Essen bei ihnen am ersten oder zweiten Weihnachtsfeiertag kommen. Ich erkläre, dass wir eigentlich vorhatten, eher ein gemeinschaftliches Besäufnis mit einem Braten als Weihnachtssymbol und Magenfüller zu veranstalten als ein ruhiges Beieinandersitzen. Ich zähle auf, was wir alles vorhatten, um ihre schweren Lider oben zu halten. Weihnachtsmarkt, Weihnachtsmesse, Julklapp. Und ich sage, dass ich ihre Entscheidung blöd finde und damit nicht gerechnet hätte. Außerdem verwende ich mein neues Lieblingshasswort, von dem ich weiß, dass ich damit meine Eltern richtig reizen kann: »Ich finde das sehr spießig.« Es klappt sogar, meine Mutter wird sauer. Um sich nicht zu streiten, sagt sie Gott sei Dank noch schnell: »Du wolltest so schnell eine Antwort haben, mal schauen, was sich da noch entwickelt.«
Um offen zu sein: An meine Eltern hatte ich die Mail eher der Form halber verschickt, sie war nicht wirklich als Frage gemeint. Es war sonnenklar für mich, dass sie gerade in diesem Jahr Weihnachten mit mir verbringen wollen würden – und sei es am anderen Ende der Welt und nicht nur zwei dumme Autostunden entfernt. Schließlich hatten wir gerade ein anstrengendes Jahr hinter uns, und es würde das erste Weihnachten zusammen mit Sophie sein. Es sollte unglaublich romantisch und lustig werden. Ein Weihnachten, an das man sich noch lange erinnern würde, weil die Küche so schlimm aussah und wir nachts rausgehen mussten, um das Kind zum Einschlafen zu bewegen. Ich hatte geglaubt, dass meine Einladung eine willkommene Abwechslung sein würde und kein schrecklicher Familienzwang im Stiefmutterformat. Zudem haben die beiden offenbar keinerlei Vorstellung davon, wie anstrengend es ist, mit Minikind ständig von einem Großelternpaar zum anderen zu heizen. Wir müssen ständig organisieren und sind ohne Auto auch nicht sehr mobil. Außerdem knallt Sophie mit hundertprozentiger Sicherheit nach dem zweiten Mal hin- und herfahren und neue Leute sehen, neue Orte erkunden irgendwann durch. Da gibt es keine Ruhe, keinen Frieden, keine Geruhsamkeit. Dagegen ist für den Rest der Großfamilie ein Weihnachtsfest bei uns zu Hause mit den Menschen, die man mag, vielleicht kein Urlaub, aber zumindest ein netter Kurztrip. Und letztlich ging es ja nur um ein einziges Weihnachtsfest. Nicht um die kommenden vierzig.
Ich habe erst einmal nicht mit meiner Familie zusammen gefeiert. Als ich fünfzehn war, verbrachte ich sechs Monate in Frankreich und blieb über die Feiertage bei meiner Gastfamilie. Damals schrieb ich in einer Mail an meine Großeltern: »Ja, es war schön, aber so richtig toll ist Weihnachten eben nur mit der eigenen Familie. Home is nun mal, where the heart is.« Klar, als Kind habe ich Weihnachten geliebt, so wie alle Kinder. Ich habe mich immer hübsch gemacht, und manchmal spielten meine Schwester und ich sogar Christkind und
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