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Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Titel: Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Maier , Hanna Maier
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Küchenfenster die Spatzen mit ihrem Flügelschlag den Schnee vom Meisenring fegen.
    Also. Ich. Couch. Skype. Mail an Hanna: Sag mal, Schnuppi!
    Schnuppis Antwort lässt nicht lange auf sich warten. Falls ich das wissen wolle, um zu Weihnachten mit ihr zu skypen, »muss ich dir sagen, dass ich das nicht möchte«, schreibt sie. »Ich will an dem Abend keine schlechte Laune haben müssen und vor allem nicht heulen müssen, weil ich euch lustig unterm Weihnachtsbaum kuscheln sehe. Verzeih diese drastische Absage, aber das kann ich nicht.«
    Aha, das kann sie also nicht. Unglaublich lange vier Monate sind vergangen seit dieser üblen Weihnachtsdiskussion. Sophie kann inzwischen sitzen und ihr Spiegelbild küssen, die Welt hat sich ein paarmal gedreht – aber meine Tochter kann ihrer Mutter nicht verzeihen, dass sie ihr für den 24.   Dezember einen Korb gegeben hat. Ich rufe Hanna an und sage ihr, dass dieser Spaß jetzt aber wirklich mal ein Loch hat. Dass unser Streit dermaßen lange her ist und wir im Übrigen bekanntlich am ersten Weihnachtsfeiertag zu ihnen nach Leipzig kommen würden. Dass ich, kurz gesagt, keinen Bedarf habe, mir von ihr ein schlechtes Gewissen machen zu lassen, weil ich ihre Einladung ausgeschlagen habe. Im Gegenteil, ich fordere von ihr, meine erwachsene Entscheidung wie eine Erwachsene zu respektieren.
    Dann wird’s bunt am Telefon. Ich weiß nicht, wie das in anderen Familien ist, ob dort ein respektvollerer Umgang mit den Altvorderen gepflegt wird. Oder ob Kindern – seien sie volljährig oder nicht – von ihren Eltern nur ganz sanft vermittelt wird, dass sie nicht einer Meinung sind. Bei uns jedenfalls wird es gern mal ein bisschen heftig und laut; jedenfalls dann, wenn die Tochter der Mutter verklickert, dass diese ihrer von der Natur und der Evolution zugedachten Rolle als Beschützerin und Kümmerin nur mäßig nachkomme. Dass sich die Eltern im Grunde nie so recht für die Belange ihrer Tochter interessiert hätten und es in diesem speziellen Fall offenbar unzumutbar fänden, am 24.   Dezember ihren Hintern nach Leipzig zu bewegen.
    »Warum denn bloß?«, frage ich barsch zurück. »Ja, du hast jetzt ein Kind, ja, ihr seid jetzt eine Familie – aber bedeutet dies, dass sich eure Verwandtschaft allen euren Bedürfnissen anzupassen hat?« – »Jahaaa«, triumphiert nun die Tochter, Oscars Familie sei die Feier mit dem Enkel inklusive kulinarischer und monetärer Unterstützung offenbar wichtig genug. Selbst Oscars gebrechliche Oma habe sofort – sofort! – zugestimmt, nach Leipzig zu düsen, um dort unterm Riesenweihnachtsbaum den Abend verbringen zu dürfen. – »Pass mal auf«, belle ich meine Tochter an, »ich hab’s satt, mir von dir ständig ein schlechtes Gewissen machen zu lassen. Dass wir nicht kommen, steht seit vier Monaten fest, vielleicht könntest du dich mal wie eine Erwachsene verhalten und die Gegebenheiten akzeptieren, statt mir immer wieder klarzumachen, dass ich mich schämen soll?«
    Es folgt ein ungutes Gerangel. Es fallen Wörter wie »immer« und »nie«, »wir« und »ihr«, »wichtig« und »Scheiße«. Schließlich sage ich, dass ich, wenn wir wie abgemacht am ersten Weihnachtsfeiertag nach Leipzig kämen, mir kein schlechtes Gewissen machen lassen wolle. Worauf sie meint, dass es möglicherweise eh keine gute Idee sei, am Tag nach Heiligabend anzureisen – sie wisse einfach nicht, ob sie das überhaupt noch wolle. Daraufhin lege ich einfach auf.
    Im Grunde ist es eine sehr tröstliche Einrichtung, dass das Bildtelefon noch nicht den kommunikativen Standard darstellt. Denn so bleibt Hanna erspart, mitansehen und -hören zu müssen, welche Flüche ich ausstoße, während ich durchs Haus tigere. Ich meine, was soll das? Ist mit der Niederkunft einer noch so süßen Sophie der Anspruch auf großelterliche Willfährigkeit verbunden? Ich sage: Nein, ist er nicht. Dieser Ansicht verleihe ich im Schutz der privaten vier Wände auf drastische Weise Ausdruck. Ich fluche und tobe, sage Dinge, die besser ungesagt blieben.
    Trotzdem tut mir natürlich all das leid. Verdammt noch mal, warum bin ich nicht in der Lage, mal so einen Weihnachtsabend hinzuimprovisieren? Warum versage ich meiner Tochter die Anwesenheit an diesem für sie ja offensichtlich äußerst wichtigen, familienbildenden Tag? Jetzt, ja, jetzt wäre ich bereit. Sie hat mich so weit. Ich würde mich am 24. auf die Autobahn schwingen und astronomische Hotelpreise bezahlen, um fünf Stunden in einer

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