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Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Titel: Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Maier , Hanna Maier
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oder kopierte Zettel – E-Mails gar! – hielten erst ab Ende der Neunzigerjahre Einzug. Bis dahin fanden zweimal jährlich Klebe- und Filzstiftmassaker statt.
    In den Einladungen standen die Partykerndaten: Ort, Uhrzeit sowie – sehr, sehr wichtig – das Ende der Sause. Zudem galt es damals als schicklich zu schreiben, das einladende Kind erwarte keine Geschenke; es wäre aber erfreut, wenn die Gäste »gute Laune und Stoppersocken« mitbrächten. Erst Hannas Schwester Kira wagte beherzt den Aufstand gegen so viel Bigotterie. Selbstverständlich erwarte sie Geschenke, schrie sie und bestand darauf, nur den Teil mit den gut gelaunten Stoppersocken zu schreiben.
    Der Nachmittag selbst war ein sozialer Tsunami, der durch unsere Altbauwohnung fegte. In kurzer Folge purzelten zehn Kinder durch die Wohnungstür, die unseren ganzen schönen Kaffeetrinken-Pfänderspiele-Abendbrot-Plan schrotteten. Manche brachten gleich mal ihre Eltern mit, die ungeniert durch alle Räume taperten und sich nur zu gern von Stefan und mir auf einen Sekt einladen ließen. Manche Kinder waren einfach schüchtern, manche wollten gleich wieder nach Hause oder hatten eingekackt. In jedem Fall galt für diesen Tag die Devise: freundlich bleiben und selbst die aggressivsten Gören nie anherrschen. Auch nicht, wenn sie – das nur eine Erinnerung von vielen – den Federboden des Bettes durch Gruppenhüpfen entzweibrachen und die Bettwäsche in Fetzen rissen. Und selbst dann noch ruhig bleiben, wenn die fünfjährige Hanna sich wütend am Boden wand, weil sie beim Topfschlagen partout nicht verlieren konnte. War sie nun das Geburtstagskind, oder was?!
    Irgendwann war es vorbei. Das letzte Kind war mit seiner um drei Stunden verspäteten Mutter ganz, ganz herzlich verabschiedet worden. Die Töchter lagen in ihren Betten – eine von ihnen auf der Matratze daneben. Das Klo war einmal grob durchgeputzt. Und auf dem Weg zur Küche latschte man in einen dieser scheißteuren Preise, die der glückliche Gewinner im Flur vergessen hatte. Ach ja, Kindergeburtstag. Was für ein Fest.
    Nur einmal wurde in all den Jahren nicht gefeiert. Und das war, als Hanna eins wurde. Natürlich war auch dieses wunderbare Kind angekündigt, eingetroffen und hatte alles auf den Kopf gestellt. Sie hatte zum ersten Geburtstag sogar zwei Zähne mehr als Sophie, und ja, sie konnte schon laufen. Sie hatte den einzigartigen maierschen Appetit, brachte mit ihren irren blauen Augen Wildfremde zum Grinsen, aber konnte auch dieses stupide srilankische Meditationsgesicht aufsetzen.
    Der große Unterschied zu Sophie bestand in der Tatsache, dass Hanna keinen Vater hatte. Jedenfalls keinen, mit dem ich den ersten Geburtstag unserer gemeinsamen Tochter verbringen hätte können. Wir hatten uns sieben Monate zuvor getrennt. Insgesamt also höchstens mittelgute Voraussetzungen, um gemeinsam zu feiern.
    Als der Tag näher rückte, fragten mich meine Eltern, was denn für Festlichkeiten geplant seien. »Keine«, antwortete ich. »Herrgott, sie wird eins – das merkt sie doch gar nicht!« In mir war gerade alles durcheinander, ich musste funktionieren. Für Gefühle war kein Platz.
    Der betreffende Tag im November 1989 war ein dunkler, kalter Donnerstag. Drei Wochen zuvor war direkt vor Hannas und meiner Haustür die Mauer »gefallen«, wie man das heute so falsch wie verklärend formuliert. Kurz zuvor hatte ich mich in einem Anfall von Entschlusskraft vom Vater meiner Tochter scheiden lassen und war nun tagaus, tagein damit befasst, wenig zu essen, viele Zigaretten zu rauchen und darüber nachzudenken, wie dieses ohnehin komplizierte Leben für Hanna und mich weitergehen könnte. Irgendwo in meinem Gefühlshaushalt quäkte eine sentimentale Stimme, dass trotz des ganzen Riesenkrachs Hannas Vater dem Ruf des Herzens folgen und, die Arme voller Geschenke, am Abend vor der Tür stehen würde.
    Und so eilte ich morgens zum Kindergarten, um Hanna abzugeben. Und ich eilte nachmittags wieder herbei, um sie einzusammeln. Sie taperte mir entgegen, ich hatte ihr zur Feier des Tages ein rotes Cordkleid angezogen. Das stopften wir nun in den Schneeanzug, setzten ihr die Mütze auf – und ab ging’s nach Hause. Der Briefkasten: leer. Der Ofen: kalt. Der Kühlschrank: leer. Die Wohnung: leer bis auf uns beide. Langsam verfiel ich in Panik. Mir schwante, dass so ein erster Geburtstag möglicherweise nicht nur ein Feiertag für den kleinen Jubilar sein könnte. Sondern mindestens genauso sehr für dessen

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