Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)
Im Wortschatz einer Frau mit O tauchen nun immer häufiger Wörter wie »damals«, »früher« oder »als« auf. Sie nimmt nicht länger wie beiläufig ihr Kind an der Hand, das kein Kind mehr ist, sondern nun selber eines hat und dafür leider selbst beide Hände braucht.
Die Frau mit O geht nach der Arbeit nach Hause. Sie kocht jetzt seltener für sich und den Mann. Stullen zum Abendbrot tun es schließlich auch. Und wenn sie gegen elf ins Bett geht, denkt sie still: »Kommt keiner mehr.« Sie wartet auf ein Wochenende, an dem die Kinder kommen. Da kochen sie und ihr Mann dann Lieblingsessen. Rouladen, Cannelloni, Schnitzel. So gut, dass die Enkelkinder tatsächlich irgendwann glauben, bei ihren Großeltern gebe es nichts als gehobene Hausmannskost. Danach wird spazieren gegangen und Kaffee getrunken. Und dann müssen sie auch wieder los, die Kinder, die keine mehr sind, mit ihren Kindern, in ihre Welt. Kommt keiner mehr.
Das klingt furchtbar. Und ist es eigentlich gar nicht. Mehr als einmal habe ich den Umstand gepriesen, dass mangels innewohnender Kinder heute keine Schuh-und-Rucksack-Installationen mehr den Flur versperren. Dass ich meinen Lippenstift genau dort wiederfinde, wo ich ihn zuletzt gesehen habe. Dass ich Wäsche wasche und diese nicht eine Woche später untergewühlt im Kinderzimmer wiederfinden muss. Ich kann pünktlich und ordentlich sein, weil ich es so will, und nicht, weil ich irgendeine Art von Vorbild sein soll. Ich schaue unbeirrt den »Bericht aus Berlin« und werde nicht von der Seite vollgenölt, weil im Schreifernsehen gerade irgendein Müll verpasst wird. Mein iPhone-Kabel steckt zuverlässig in der Dose. Und wenn Hanna mit Oscar und Sophie am Ende eines Besuchstages wieder abgefahren ist, mache ich mich milde lächelnd auf die Suche nach dem halben Dutzend angebrochener Wasserflaschen, die meine Tochter seit Jahren nach einem undurchschaubaren System im ganzen Haus verteilt. Kommt schließlich keiner mehr.
Und dann ist da noch das Relaxte. Eine Sophie, die gerade laufen gelernt hat – die will auch laufen. Und zwar ausgiebig. Ich bin gern ihre Assistentin. Aber irgendwann, wenn ich eine gute Stunde halb gebückt hinter ihr durch die Fußgängerzone gerobbt bin – dann brauche ich auch mal eine Pause. Und die kann ich haben, denn ich bin nur die zweite Assistenz, die erste bilden Hanna und Oscar. Die können sich gern krummlegen und den frischgebackenen Zweifüßler stundenlang spazieren führen. Bis Sophie müde gespielt, gewindelt und abgefüttert ist, bin ich schon zu Hause angekommen. Da hänge ich meinen Mantel auf den Bügel, koche mir einen Tee und schmiere zwei Stullen. Ich rede mit Stefan darüber, ob wir Sophie vielleicht doch erlauben sollten, uns Oma und Opa zu nennen. Danach glotzen wir noch ein bisschen fern. Und gegen elf denken wir: »Ach schön, kommt keiner mehr.«
WIE ICH UM EINIGE UNANGENEHME JAHRE ÄLTER WURDE UND TROTZ KLOSTEIN COOL SEIN WOLLTE
In unserer Familie gibt es, wie es sich so gehört, viele Mythen und Sagen. Geschichten, die vielleicht tatsächlich mal in einem ähnlichen Rahmen zu einem ähnlichen Zeitpunkt, aber auf keinen Fall in solch einem Ausmaß stattgefunden haben. Geschichten, die über die Jahre hinweg an Brisanz und Dramatik gewonnen, ihren Wahrheitsgehalt jedoch zu großen Teilen eingebüßt haben. Mythen und Sagen, die zu Familienfeiern oder auf langen Autofahrten ausgepackt werden. Eben dann, wenn es am besten ist, mal reinen Tisch zu machen und zu fragen: Ist das wahr?
Einer dieser Mythen rankt sich um unsere wunderbaren wochenlangen Oma-und-Opa-Besuche. Wir verbrachten oft ganze Ferien, in meiner Erinnerung bis zu sechs Wochen, bei unseren Großeltern in Bayern. Während wir Knödel aßen und fast gar kein Fernsehen schauten, pflegten unsere Eltern ihre Beziehung. Ich will gar nicht wissen, was die da gemacht haben. Jedenfalls packte meine Mutter die Koffer und gab uns jeder zwei (2!) Unterhosen mit. Meine pflichtbewusste Oma konnte zwei Wochen lang nicht von der Frage lassen, wie so etwas denn passieren konnte. Die Arme stellte sich jeden Abend ins Bad und wusch dreckige Wäsche. Uns Kindern war das außerordentlich egal. Wäre es nach uns gegangen, hätten wir auch gar keinen Schlüppi gebraucht. Das war so ein Erwachsenending.
Wenn ich heute Sophies Tasche packe, dann ist da grundsätzlich zu viel drin. Bleiben wir zwei Tage weg, sind auf jeden Fall vier Bodys dabei, falls sie vor Aufregung außergewöhnlich viel kackt. Und
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